Jupiter Jones - Das Gegenteil von allem

Columbia / Sony
VÖ: 11.10.2013
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Macht doch, was Ihr wollt

"Hoffentlich wissen Jupiter Jones, was sie tun." Mit exakt diesem Satz beendete Kollege Drögemüller seine Rezension zu "Jupiter Jones", dem letzten Album der Band aus der Eifel. Gemeint war der Weg, den diese Band genommen hat, weg von den ungestüm angepunkten Songs ihres Debuts "Raum um Raum", hin zu radiokompatibleren Nummern, hin zu Stücken wie "Still". Eigentlich eine langweilige Story, wurde sie doch erstens schon viel zu oft erzählt und steht man sich zweitens als Freund der frühen Alben dabei viel zu oft selber im Weg. Die Punk-Polizei lässt herzlich grüßen. Also vorneweg: Ja, Jupiter Jones ist die Band, die einstmals eigentlich das aufheben sollte, was Muff Potter liegen gelassen haben, aber viel lieber die Abzweigung zum Pop genommen hat. Erfolgreich, wohlgemerkt. Das ist per se nichts Schlechtes, das ist der Band bestimmt auch zu vergönnen. Zumal Jupiter Jones überdies mehrmals bewiesen haben, dass sie auch mit weniger Ecken und Kanten eine durchaus gute Figur abgeben können. Die Band muss sich mit ihrer neuen Platte also an dem messen lassen, was sie inzwischen ist: ein ganz guter Pop-Rock-Act.

Daran rüttelt auch die Vorabsingle "Denn sie wissen, was sie tun" nicht. Auch wenn Nicholas Müller in eben jener Single so beherzt wie lange nicht mehr clevere Zeilen röhrt, und das mit Ferris MC und Jennifer Rostock um die Wette, auch wenn der Song locker aus der Feder von Nagel (Muff Potter) kommen könnte: Daran, dass Jupiter Jones auf "Das Gegenteil von allem" plötzlich mit Bratzgitarren und Gebrüll um sich werfen würden, hat wohl niemand geglaubt. Hoffentlich. Wer gedacht hatte, der vorab veröffentlichte, doch sehr laute Song gebe die Richtung vor, der muss das Album mit ordentlich Schmackes in die nächste Ecke pfeffern. Alle anderen bekommen ein Album vorgelegt, das dem Punk in zehn von elf Stücken schon seit einer gefühlten Ewigkeit Lebewohl gesagt hat. Ein Album, das sich mit "4-9-6 Millionen" übrigens einigermaßen gut anlässt. Ein paar beschwingte Akkorde, ein fröhliches Klavier und ein Müller, der konstatiert: "Bitterkeit Du Phrasendrescher, heut' ist jemand anderes dran." Der Blick geht also nach vorne. Auch im folgenden "Rennen und Stolpern", wo die Losung "Wenn's nicht mehr weiter geht, fangen wir wo anders an" ausgegeben wird. Kann man eigentlich machen.

Wäre da nicht diese fürchterliche Belanglosigkeit, an der dieses Album spätestens mit eben jenem "Rennen und Stolpern" zu kranken beginnt. Ein Stück, das sich in dieser Form - und das ist beileibe keine Dramatisierung - ohne Probleme auch auf einem Album von Silbermond oder Revolverheld wiederfinden könnte. Und damit überdies nicht alleine dasteht. Da ist die soundgewordene Zuckerwatte von Produktion glatt ein Nebenaspekt, wenn man ein ums andere Mal von Songs empört wird, die so frei sind von Überraschungen und guten Ideen, wie der "Tatort" in jüngerer Zeit. Hinter denen so wenig steckt, dass sie sich nicht einmal selber zu tragen vermögen. Beispiele dafür finden sich genügend: das geradezu enervierende "Treppenwitz" etwa, das seinen leidlich innovativen Refrain zu allem Überfluss gegen Ende hin unnötig breit latscht. Und doch spurlos vorbeizieht. Oder "Anderthalb Sommer". Das wie der im Text erwähnte Don Quijote aufopferungsvoll gegen gruselige Synthies kämpft. Und verliert. Wenn man glaubt, die Talsohle wäre hiermit erreicht, tja, dann kommt "Hunderttausend Typen wach" des Weges. Eine Schmalzballade allererster Kajüte. Kitsch-Streicher, die selbst den sonst durchaus streicheraffinen Marcus Wiebusch (Kettcar) zu einem schmerzhaften Date mit Villeroy & Boch gezwungen hätten. Das ist schlimm. Ein bisschen eklig. Fast schon ordinär. Und selbst wenn Jupiter Jones mit "Glücklich (Wir müssen üben)" mal die etwas schnellere Gangart versuchen, sorgt der omnipräsente Schmuck am Nachthemd mal wieder geflissentlich dafür, dass die ganze Chose fast schon dramatisch im Sande verläuft. Dass auch die Textarbeit trotz der Grüße an Modern Life Is War, Tom Sawyer, Huck Finn und sogar Millencolin zumeist nicht über das Prädikat "ganz nett" hinaus kommt: fast schon eine Randnotiz.

Da hilft es leider wenig, dass man fürs Durchhalten bis zum Schluss durchaus belohnt wird. Zum einen mit "Momentaufnahme 3 (Schrödingers Dilemma)", das zumindest musikalisch Muff Potters "Die Guten" als Bruder im Geiste hat. Vor allem aber mit "Alles was ich weiß". Zwar auch ein weiterer Leisetreter, dieses Mal allerdings ein rundum gelungener. Sparsame Instrumentierung, saubere Spannungsbögen und ein paar Überraschungen in der Hinterhand. Ein Song, der auf allen Alben dieser Band auf der Habenseite zu verbuchen wäre. Was das Vorhergegangene fast noch ärgerlicher macht: Sie könnten es doch. Ziemlich gut sogar. So hätten Jupiter Jones mit "Das Gegenteil von allem" die Band werden können, die ihren Airplay-Kollegen mal zeigt, wie man es richtig macht. Und ja, in lichten Momenten gelingt das auch ganz gut. Über weite Strecken ist "Das Gegenteil von allem" aber dröge, klebrig und schlichtweg langweilig. Vielleicht wissen Jupiter Jones, was sie tun. Interessant ist diese Frage aber nun ohnehin nicht mehr.

(Martin Smeets)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Denn sie wissen, was sie tun
  • Alles was ich weiß

Tracklist

  1. 4-9-6 Millionen
  2. Rennen+Stolpern
  3. Denn sie wissen, was sie tun
  4. Treppenwitz
  5. Anderthalb Sommer
  6. Hunderttausend Typen wach
  7. Zuckerwasser
  8. Glücklich (Wir müssen üben)
  9. Die Landung
  10. Momentaufnahme 3 (Schrödingers Dilemma)
  11. Alles was ich weiß
Gesamtspielzeit: 43:58 min

Im Forum kommentieren

eric

2014-05-16 15:30:53

Schönes Posting von seno, das unterschreibe ich. Bloß die Sache mit dem neu weitermachen... da zitiere ich lieber hier:

JJ zu "schließen", würde bedeuten, sich seines Einkommens zu berauben. Klingt vielleicht doof, aber ich finde es nachvollziehbar, wenn man seinen guten und gutbezahlten Job nicht einfach so hinschmeißt.

Ist, so denke ich, was dran. "Still" war das Lied mit dem meisten Radio-Airplay 2011 und Jupiter Jones ist seitdem für das ganze Land eine "Marke". Unter anderem Namen kauft da sicherlich keiner mehr etwas, geschweige denn würde das eine Radiostation abspielen. Das ist mittlerweile eben auch JJ.

seno

2014-05-16 15:08:43

Stimmt, das war mir durchgerutscht. Sorry.

Hans Maulwurf (unangemeldet)

2014-05-16 13:38:19

Das ist die deutsche Sprache und diese Worte gehören dazu.

Die deutsche Sprache ist aber völkisch und muss verboten werden, denn sie führt über kurz oder lang zum nächsten Yolocaust!

Zwölfender

2014-05-16 10:25:24

*der reinen Kunst

Zwölfender

2014-05-16 10:24:12

...dass es mit anderem Sänger unter gleichem Namen weitergeht, ist das für mich die falsche Entscheidung. Die sollen das Ding begraben und meinetwegen zu dritt unter neuem Namen weitermachen.

Manche Band dient halt dem Broterwerb und nicht der einen Kunst. JJ zu "schließen", würde bedeuten, sich seines Einkommens zu berauben. Klingt vielleicht doof, aber ich finde es nachvollziehbar, wenn man seinen guten und gutbezahlten Job nicht einfach so hinschmeißt.

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