The 1975 - The 1975

Polydor / Universal
VÖ: 06.09.2013
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Delta

Es ist der längst gegebene populärmusikalische Konflikt: Sollte man sich pudelwohl im Hype suhlen oder ihm einen erbitterten Kampf liefern? Sich eingängigen Hooks hingeben oder nach intellektuellem Impuls dürsten? Sich euphorisch schüttelnd auf den Tanzflächen bewegen oder naserümpfend die süßlichen 80s-Anleihen als "Alles schon mal da gewesen" weiterskippen? Und das Schöne ist, das man diese Auseinandersetzung mit jedem Hype aufs Neue entfesseln kann. Über Geschmack lässt sich eben doch vortrefflich streiten und nun gern auch über das The-1975-Debütalbum.

Mit "M.O.N.E.Y.", "Chocolate" und "Sex" sind die Eckpunkte des thematischen Dreiecks der vier Jungs aus Manchester dann auch schnell gesetzt. Eine Retrospektive auf die eigene Jugend, die bisher wichtigsten Jahre, will die Formation um Sänger Matthew Healey konstituieren, und so wird sich eben ausgezogen, angeknabbert und was auch immer sonst noch geht: "But if we're gonna do anything / We'll might as well just fuck." Warum dabei ausgerechnet das Thema Geld durch Punkte im Titel separiert wird, bleibt offen. Vielleicht der Versuch eines vorzeitiges Entkräftens von Rufen nach dem schnöden Mammon? Wohl zu spät, rotieren die Lead-Singles der vier Vorgänger-EPs doch fleißig rauf und runter und ein UK-Nummer-1-Album steht nun eben auch schon zu Buche.

Sich einprägende, weil unkomplizierte und damit hype-ermöglichende Hooklines bieten die dreieck-bildenden Songs bereits zu Genüge. "Chocolate" verbreitet theatralisch-jugendliche Bonnie-&-Clyde-Romantik in der Zusammenarbeit zwischem kräftigem Bass und ungeniert verspieltem Gitarrenriff. "Sex" betoniert "She's got a boyfriend anyway" mühelos im Ohr und unterstützt das noch mit dem breitschultrigsten, lautstärksten, aber keineswegs überbordenden Pomp der Platte. "M.O.N.E.Y." zeigt rhythmisch verschoben eine Schwäche für R&B im Prince'schen Sinne und das "The 1975" erfolgreich in ihrer Lust am Ausprobieren sind. Komplettiert wird das Dreigestirn durch den übertrieben hämmernden Drumloop und die massigen Synthiewände in "The city" und das sich unter den ganzen vermeintlichen Überhits erst auf das zweite Hören erschließende, sich anschleichende "Talk!".

Ob dies, das einleitende Titelstück und die beiden weiteren Zwischenspiele "An encounter" und "12" allerdings ausreichen, um dem Album das Art-Rock-Gütesiegel aufzudrücken, bleibt fraglich. Nach Absolvieren der halben Strecke verlieren sich nämlich die Ideen, die zuvor noch aufhorchen ließen, und immer öfter kommt die doch sehr professionelle, blitzblank glänzende Produktion in den changierenden Fokus. Etwa wenn "Girls" irgendwie funkelnd die Antwort auf Cindy Laupers "Girls just wanna have fun" gibt, "Robbers" als einzige Power-Ballade etwas fehl am Platz wirkt oder "Heart out" sich kräftig an der 80's-Elektro-Pop-Kiste samt Synthies und ja, auch am Saxophon bedient. Erst die nachdenklich gestimmte Pianoballade "Is there somebody who can watch you" erweitert abschließend noch einmal die vorgetragene Bandbreite überraschend wie lohnend. An der kreativen und einfallsreichen Aufstellung mangelt es dem Volllängen-Einstand der vier Engländer also freilich nicht. Viel mehr reibt man sich erstaunt die Augen, dass eine solch unverschämt aufgemotzte Poprock-Platte mit Fokus Stadionrock heute noch entstehen konnte und oben drauf tatsächlich auch etwas zum popkulturellen Diskurs beizutragen hat.

(Andreas Menzel)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • M.O.N.E.Y.
  • Sex
  • Talk!

Tracklist

  1. The 1975
  2. The city
  3. M.O.N.E.Y.
  4. Chocolate
  5. Sex
  6. Talk!
  7. An encounter
  8. Heart out
  9. Settle down
  10. Robbers
  11. Girls
  12. 12
  13. She way out
  14. Menswear
  15. Pressure
  16. Is there somebody who can watch you
Gesamtspielzeit: 50:52 min

Im Forum kommentieren

Bonzo

2015-12-05 22:52:44

Das im Oktober veröffentlichte "Love Me" ist übrigens ne ziemlich geile INXS-Nummer.

jo

2013-09-05 20:15:40

Naja, der "One Republic"-Vergleich ist schon hart ;). Aber dem "zu glattgebügelt" (bis hin zu "verfremdet") schließe ich mich bisher an.

musie

2013-09-05 08:49:34

ich fand sie live richtig gut, etwas rockiger, hatte was von placebo, aber das album ist sehr glattgebügelt. das ist wohl bewusst, auf den spuren onerepublics oder so...

jo

2013-09-04 22:21:18

Bin bisher nicht 100%ig überzeugt. Nachdem ich nach dem Kennenlernen der Band als Vorband von "Two Door Cinema Club" oft die kursierenden Liveaufnahmen mancher (bisher auch der besten) Albumsongs gehört hatte, bin ich von den Studioversionen bisher etwas enttäuscht. Zu viel Effekthascherei bei von Grund auf tollen Songs, meiner Meinung nach (Beispiele: "Heart Out", "Settle Down").

Vielleicht wird's noch, aber auch hier wäre weniger wohl mehr gewesen.

Andi

2013-08-30 17:29:44

http://www.thefader.com/2013/08/30/stream-1975s-self-titled-debut-album/?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+TheFaderMagazine+%28The+FADER+Magazine+Posts%29

Sehr geile Scheibe.

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Threads im Forum