Sebadoh - Defend yourself

Joyful Noise / Domino / GoodToGo
VÖ: 13.09.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Über Leben

"Alles Gute" – das ist es, was man Lou Barlow stets zurufen möchte. Sei es zur Begrüßung, zum Abschied oder einfach zum Beginn einer Rezension, die – was auch sonst – selbst nicht so recht weiß, weshalb eigentlich. Auf jeden Fall aber liegt der Grund hierfür nicht etwa in einer Hyperverzweiflung, die Barlow wie so viele andere als Folkrocks lamest Glitzeranzug mit sich herumschleppen würde. Eher schon im ganzen Gegenteil: Zeit seiner wahrlich einflussreichen Musiker-Karriere war er stets derjenige, der alle Wangen für egal wen übrig hatte. Und das allein verdient den allerletzten Rest Respekt, den sich Barlow solo, mit Dinosaur Jr., der Folk Implosion oder eben Sebadoh nicht ohnehin schon erspielt hat. Letztere feiern nun nach 14 Jahren mit "Defend yourself" ihr Langrillen-Comeback. Und da Barlow in allen seinen Bands stets auch Teamplayer war, ging und geht das nicht ohne Langzeitgefährte Jason Loewenstein – und auch Gründungsmitglied Eric Gaffney wäre gewiss mit von der Partie gewesen, wenn er denn gewollt hätte. Stattdessen sitzt nun Robert D'Amico am Schlagzeug, Loewensteins Bandkollege bei den Fiery Furnaces. Und im Zusammenspiel aller drei zeigt sich der soeben angesprochene Teamspirit dann auch gleich von der ersten Note an.

"I will" und "Love you here" starten ins etablierte bis unspektakuläre Indie-Midtempo mit zu wenig Hookline fürs College-Radio, dafür aber mit einer ganzen Barlow-Frisur voll verwuschelter Harmonien. Das lässt Zeit für ein entspanntes "Willkommen" – nicht auszudenken, würden Sebadoh stattdessen wie einst zu "Bubble and scrape" kopfüber in den Seelenstriptease springen. Loewensteins "Beat" zieht dann allerdings erstmals richtig an: Grunge ist hier gewiss zugegen, doch er bleibt schmutzig, ohne eindeutige Pose oder gar Weltenretter-Attitüde. Das Instrumental "Once" schubst den Schmuddel-Look in einen wunderbar kratzbürstigen 5/4tel-Takt, vor allem aber der Titelsong nimmt den Faden auf, schreddert und scheppert noch ein wenig intensiver, will ständig ausbrechen, schafft es aber nie, knickt stattdessen gar kurzfristig in eine widerborstige Tiefenfrequenz weg – ja, genau das ist das innere Drama, das Sebadoh einst so gut wie kaum eine zweite Band verkörpern konnte, es gar zu ihrer Überlebensnotwendigkeit machte.

Wohl selbst ein wenig geschockt, befreien sich "Oxygen" und später nochmal "State of mine" in Songverläufe, wie sie Barlow auch für die letzten Dinosaur-Jr.-Alben geschrieben hat – ebenso hochmelodische wie natürlich weiterhin melancholische Indierocker, die das Gemüt von "Defend yourself" immer dann aufrütteln, wenn es Gefahr läuft, allzu sehr in Trauerpose zu entschwinden. Ob es dann noch des Country-Punk von "Inquiries" bedurft hätte oder ob Sebadoh damit die ganze Auflockerung dann doch eher überreißen, muss an dieser Stelle nicht entschieden werden. Klar wird dennoch: Barlow und Co sind nicht die Minutemen – und werden sie für die Dauer von "Defend yourself" auch nicht mehr.

Stattdessen brummen Bass und Halbresonator in ganz wunderbarem Einklang durchs Humpel-Midtempo von "Can't depend", und Loewensteins Stimme beweist dazu einmal mehr, dass sie bereits zu Grunge-Hochzeiten bestens zupass kam. Obwohl im Vergleich zu ihren sonstigen Bands durchaus hyperdemokratisch, will Barlow das nicht lange auf sich sitzen lassen und schiebt mit "Let it out" eine im Rhythmus beinahe traditionell pumpende Ballade nach, über der seine Stimme so traurig und selbstbewusst wie selten schwebt. Und da Sebadoh nun gemeinsam so schön unten angekommen sind, toppt "Listen" nochmals die Trauerstimmung.

Dieser schlussendlich doch noch erfolgende Kontrollverlust ist dann auch das größte Pfund, das Sebadoh mit "Defend yourself" im Köcher haben. Klang der Beginn ein wenig nach einem gewollt abwechslungsreichen Song-Potpourri, so gehen sie zum Ende kongenial in die Knie. Genau deshalb ist der Rausschmiss zum wieder straight verrockten "Seperate" durchaus ein Fragezeichen wert. Wie bereits zuvor mit "Inquiries" misstrauen Sebadoh hier der Kraft ihrer eigenen Verzweiflung. Doch auch das war schon sehr früh eigentlich eine Überlebensnotwendigkeit. Eben dieses Leben haben Sebadoh nun wieder – und es steht ihnen immer noch sehr viel besser, als sie selbst mutmaßlich zu glauben bereit sind. Alles Gute also, für immer und weiterhin.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Beat
  • Defend yr self
  • Once
  • Can't depend
  • Let it out

Tracklist

  1. I will
  2. Love you here
  3. Beat
  4. Defend yr self
  5. Oxygen
  6. Once
  7. Inquiries
  8. State of mine
  9. Final days
  10. Can't depend
  11. Let it out
  12. Listen
  13. Seperate
Gesamtspielzeit: 45:48 min

Im Forum kommentieren

Tim L.

2019-05-20 07:15:03

top album!!

KV*X

2013-09-11 12:07:59

EIN GANZ GANZ STARKES STÜCK WEISSE ROCKMUSIK.

Herder

2013-09-11 10:19:06

Nein, das ist ganz und gar keine schlechte Sache! Die Herren sind ja in der Tat schon etwas betagt und machen eben, was sie gut können: Schöne Songs schreiben, umgesetzt mit äußerst klassischen Indierock-Mitteln (siehe auch die tollen letzten Guided by Voices-Alben).

Altbewährt und ich finds wieder sehr gut.

Johnny Castle

2013-09-11 10:12:13

Jetzt im Stream, u.a. beim NPR. Klingt so, als wäre es direkt nach Harmacy/The Sebadoh erschienen und nicht 2013. Also irgendwie Altherren-Indierock, aber das muss ja keine schlechte Sache sein.

modestmarc

2013-06-11 13:30:12

Yes, endlich ein neues SeBADoh Album! Bin gespannt. Die EP tönt schon mal gut.

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