Body/Head - Coming apart
Matador / Beggars / IndigoVÖ: 13.09.2013
Trau, schau, wem
Hochzeitsplaner müsste man sein. Da kann man verliebten, glücklichen Menschen bei der Gestaltung des schönsten Tages in ihrem Leben behilflich sein, strahlende Gesichter und nett herausgeputzte Brautjungfern danken es einem, und deliziöse Gänge-Menüs gibt es auch. Doch halt, es fehlt noch etwas: Musik! Schnell DJ Mädchentraube angerufen, der legt immer nur die blumigsten Indie-Scheiben auf und sorgt so im Handumdrehen für die nächsten Anbahnungen. Aber er hat leider keine Zeit. Nicht weiter schlimm – es gibt ja immer noch Body Heat. Wie, kennt Ihr nicht? Google und YouTube schon: "The best Long Island band for wedding event & party music". Waren zwar etwas verpeilt am Telefon und klangen sogar ein wenig überrumpelt. Aber Bescheidenheit ist eben eine Zier. Heißa, das gibt ein Getanze!
Preisboxer müsste man sein. Auch verliebte, glückliche Menschen können nämlich selbst am schönsten Tag in ihrem Leben sehr ungemütlich werden, wenn man ihr Lied nicht spielen will. Und Letzteres wollte die oben noch so gelobte Band offenbar nicht. Zunächst hielt die Festgesellschaft es ja noch für einen pikanten Witz, als das Duo (waren nicht eigentlich viel mehr Musiker erwartet worden?) infernalischen Lärm aus seinen Instrumenten presste und die sogenannte Sängerin Geräusche zwischen Teufelsbesessenheit, Zahnschmerz und Orgasmus zum Besten oder vielmehr Schlechten gab. (Wie, scheiden lässt die sich auch noch?) Doch als es nach einer halben Stunde immer noch keine Musik gab, flogen die Fäuste. Und unser Hochzeitsplaner trinkt nun aus der Schnabeltasse und seufzt: "Wieder der gleiche Mift wie damalf bei Die Toten Hafen." Trau, schau, wem.
Wer bereits im ersten Absatz argwöhnte, dass irgendetwas mit dem Bandnamen nicht stimmen kann, hat natürlich Recht: In dieser zum Glück frei erfundenen Geschichte geht es mitnichten um die unerträglich unterhaltsame Hochzeitskapelle, sondern um das offenbar zum Verwechseln ähnlich benannte Zwei-Gitarren-Projekt der ehemaligen Sonic-Youth-Bassistin Kim Gordon zusammen mit Sozius Bill Nace. Und was Thurston Moore mit seiner neuen Band Chelsea Light Moving kann, kann Gordon schon lange: ein erstes Album vorlegen. Doch musste es wirklich ein solches sein? Okay: "Abstract" geht noch als experimenteller Opener im Stile düsterer Sonic-Youth-Stücke wie "Shadow of a doubt" durch, und das folgende "Murderess" dauert lediglich eine gehörfreundliche Minute. Aber das sollte eigentlich genug des Abstrakten sein, oder?
Nichts da – es geht genauso weiter. Mit glühenden Verzerrerpedalen, Sounds, die eher an schreiende Transistoren erinnern als an sechs Saiten, und amorphen, bis zu 15-minütigen Tracks ohne jede Rhythmusgruppe. Dazu haucht, stöhnt und keucht Gordon x-fach verhallte Ad-Libs in den streng riechenden Klangraum und addiert eine weitere Dimension der Hoffnungslosigkeit und harmonischen Totalverweigerung. Man würde dem Hörer ja zu gerne raten, sich beim, äh Genuss von "Coming apart" gut festzuhalten – wenn es nur etwas zum Festhalten gäbe. Melodien, Refrains oder Songs etwa. Und nicht bloß provokante Störgeräusche und strukturlose Noise-Installationen mit Textfetzen wie "Ain't got no life" oder "Black is the colour". Respekt dafür – doch mag man sich das antun? Wer jetzt "Ja, ich will!" sagt, wird sehen, was er davon hat. Fast wie im richtigen Leben. Aua.
Highlights & Tracklist
Highlights
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Tracklist
- Abstract
- Murderess
- Last mistress
- Actress
- Untitled
- Everything left
- Can't help you
- Ain't
- Black
- Frontal
Referenzen
Spotify
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