Tarja - Colours in the dark

Ear / Edel
VÖ: 30.08.2013
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Im Mittelrang

Eines muss man Tarja Turunen ja lassen: Lässt man einmal die mehr als unrühmlichen Nebengeräusche beiseite, war sie es und nicht etwa die ehemaligen Kollegen von Nightwish, die von ihrem mittlerweile acht Jahre zurück liegenden Rausschmiss am meisten profitiert hat. Denn die darauffolgenden Alben "My winter storm" und "What lies beneath" verkauften sich allesamt wie das oft bemühte geschnitten Brot, auch wenn künstlerisch – von ihrer unbestritten großartigen Stimme abgesehen – zumeist Magerkost regierte. Seherische Gaben sind also nicht erforderlich, will man "Colours in the dark" einen Charterfolg prophezeien.

Es gibt somit jede Menge guter Gründe für Tarja, an ihrer zumindest kommerziell überaus erfolgreichen Mischung aus Bombast, Opernklängen und dezentem Metal maximal marginale Änderungen durchzuführen. Die Ouvertüre "Victim of ritual" kann dann auch mit einem Wechselspiel aus dramatischer Orchestrierung und kraftvollen Riffs durchaus überzeugen, bis die Finnin bei "500 letters" dann erstmals die Gitarre richtig von der Kette lässt. Bedächtiger Beginn, ausgebreitete Arme im Refrain, dazwischen krachende Power, die es so bis dato nur bei ihren ehemaligen Kollegen zu hören gab – das ist Bombast-Metal in seiner reinsten Form. Und auch "Never enough" ist ein für sie eher unüblicher Stampfer, bei dessen Schlusspart so manch zarter besaiteter Fan vor Schreck blass werden dürfte.

Danach allerdings bewegt sich Tarja in einer eher diffusen Zone im Niemandsland zwischen Pop, Rock und Klassik. Das ist mitunter spannend, wie das an einen James-Bond-Song erinnernde "Deliverance" zeigt, oft jedoch ein wenig zu süßlich und behaglich. Der Vergleich zur wirklich gelungenen Kooperation von Rage mit dem Lingua Mortis Orchestra zeigt, dass ein wenig mehr Punch der klassischen Würde nicht abträglich sein muss. So richtig ärgerlich wird es allerdings nur einmal: Gibt es wirklich niemanden auf dieser Welt, der der Dame wahlweise einflüstert oder einprügelt, dass sie bitte niemals wieder eine Coverversion aufnehmen sollte? War Alice Coopers "Poison" auf "My winter storm" noch einfach nur platt und langweilig, so vergreift sie sich diesmal an "Darkness" von Peter Gabriel. Und beraubt diese sinistre Großtat derart nachhaltig jeglicher Spannung und Atmosphäre, dass nicht nur der Altmeister bitterlich weinend kollabieren wird.

Um es ganz klar zu sagen: Handwerklich ist das alles mehr als nur passabel, Tarjas Gesang wahrhaft majestätisch und über jeden Zweifel erhaben. Und wenn wie in "Neverlight" kratzbürstige Gitarren die Behaglichkeit zerreißen, macht "Colours in the dark" wirklich Spaß. Zumal die Finnin als Co-Produzentin dankenswerterweise nicht den Fehler macht, das Orchester wie weiland Metallica beim unsäglichen "S&M"-Projekt von der Band in Grund und Boden ballern zu lassen. Zu oft jedoch fehlt die Nachhaltigkeit, das gewisse Etwas, um richtig zu kicken – eine richtig gute Songschreiberin wird aus Tarja wohl nicht mehr werden. So bleibt wie schon bei den Vorgängeralben der Konjunktiv: Wäre dieses Potenzial in den Händen eines externen Songwriters gelandet, "Colours in the dark" hätte ein grandioses Album werden können. Dem Kontoauszug wird's dennoch egal sein.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • 500 letters
  • Never enough
  • Deliverance

Tracklist

  1. Victim of ritual
  2. 500 letters
  3. Lucid dreamer
  4. Never enough
  5. Mystique voyage
  6. Darkness
  7. Deliverance
  8. Neverlight
  9. Until silence
  10. Medusa
Gesamtspielzeit: 61:15 min

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