Zola Jesus - Versions

Sacred Bones / Cargo
VÖ: 23.08.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Gestrichen voll

Reif fürs Museum – oft eine nur vordergründig höfliche Umschreibung für Kulturschaffende, die es einfach nicht mehr bringen. Es sei denn, man heißt Nika Roza Danilova. Die besser als Zola Jesus bekannte Amerikanerin inszenierte sich schon auf ihren letzten Alben als Gesamtkunstwerk – nicht nur, indem sie sich mit Schokolade besudeln ließ oder sich in weißes Tuch hüllte, sondern auch mit ihren Songs im Spannungsfeld von experimentellen Gothic-Neuentwürfen, elektronischer Strenge und distanzierter Eisköniginnen-Erhabenheit. Und wenn Danilova ihnen nun ein Gewand aus Streichern verpassen lässt und damit im New Yorker Guggenheim Museum auftritt, ist das nur der nächste Schritt. Es mag nicht einmal sonderlich verwundern, dass diese nun auch auf Platte erscheinenden "Versions" von JG Thirlwell betreut wurden.

Denn obwohl der Mann unter Pseudonymen wie Jim Foetus oder Clint Ruin eine stolze Diskografie voller ungeschlachter Industrial-Extremfälle vorweisen kann, ist er nicht nur als Mastermind der orchestralen Projekte Steroid Maximus und Manorexia ein anerkannter Komponist, sondern auch formvollendeter Musiker und Arrangeur. Und so zusammen mit dem New Yorker Mivos Quartet die ideale Besetzung, um dem Material von "Stridulum II" und "Conatus" statt mit dem Überbrückungskabel mit klassischen Instrumenten zu Leibe zu rücken. Zugegeben: kein so kühner Schritt, als würde etwa Joanna Newsom ihre Harfe plötzlich gegen eine Öltonne eintauschen – doch geht es auf "Versions" ohnehin darum, die Stücke behutsam neu zu interpretieren und nicht etwa mit übertriebener Virtuosität vollzustopfen.

Da kann die Künstlerin noch so viel von "turning them inside out" sprechen: Schon nach ein paar Minuten wird klar, dass "Avalanche (slow)" der mindestens einen Meter über dem Boden schwebenden Entrücktheit des Originals nichts anhaben kann und sie lediglich in ein Paralleluniversum verfrachtet, in dem nicht grollende Synthie-Flächen, sondern Geigen, Bratsche und Violoncello das Sagen haben. Nebst Danilovas Stimme natürlich, die beständig zwischen Sehnsucht, Beschwörung und Drohgebärde changiert. Erst allmählich gesellen sich zurückhaltende Keyboards und rhythmische Elemente dazu, bis "Fall back" in einen rauschhaften Clinch aus gezupfter Violine und anschwellender Percussion mündet. Und abgesehen von diesem einzigen neuen Song hält "Versions" durchgängig das, was der Titel verspricht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Auch im kammermusikalischen Outfit erweisen sich Zola Jesus' Songs nämlich als unverwüstlich und resistent gegen verstiegenes Muckertum. "Sea talk" bleibt im nicht- maschinellen Aggregatzustand ein genauso banges Zwiegespräch wie auf "Stridulum II", während "Night" zu einem noch schaurig-schöneren, polyrhythmischen Klagelied für die dunklen Stunden anwächst und schließlich in einem voluminösen Unisono-Finale erstarrt. Zwar gelingt Danilova und Thirlwell nicht immer eine so reibungslose wie restlos überzeugende Metamorphose – doch vielleicht hat es ein Song wie das betörende "In your nature" auch einfach nicht nötig, sich zu sehr am Zeug flicken zu lassen, nur damit ein paar Museumsbesucher dazu Prosecco schlürfen können. Bis auf weiteres kann Zola Jesus offenbar so oder so nichts falsch machen. Nichtzutreffendes bitte streichen.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Fall back
  • Sea talk
  • Night

Tracklist

  1. Avalanche (slow)
  2. Fall back
  3. Hikikomori
  4. Run me out
  5. Seekir
  6. Sea talk
  7. Night
  8. In your nature
  9. Collapse
Gesamtspielzeit: 36:19 min

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Peter Petrel

2013-10-11 12:20:15

Lahm. Sehr lahm der Sound.

Castorp

2013-10-06 15:41:27

Die Wollmützen-, Vollbart- und V-Shirts-Hipster konnte man ja noch ignorieren, dennoch gab es mal wieder ein paar Vollidioten, die mit ihren Arschphones herumleuchten und -blitzen mussten, um das Konzert zu stören...gna...

Castorp

2013-10-06 15:35:17

Gestern im "Hebbel am Ufer" (so'n Theater mit Loge und Castorp hatte den besten Sitzplatz) konnte sie trotz Erkältung immer noch grandios die Töne treffen.

Mann, war das schön mit dem Streich-Quartett und Thirlwell! :-)

Castorp

2013-09-17 15:10:07

Ein sehr schönes Album. 8/10

"Hikikomori" gewinnt meines Erachtens nach in der Streicher-Version am meisten.

Aber mir ist aufgefallen, dass Nika irgendwie so nasal singt? Hatte die während der Aufnahmen Schnupfen? :-) Klingt aber irgendwie süß.

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