Shannon And The Clams - Dreams in the rat house

Hardly Art / Cargo
VÖ: 24.05.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Einmal von der Groben

Habt Ihr sie auch satt? Sämtliche ach so niedlichen Girlgroups, die zu süßlichem Sixties-Pop zwar manchmal ganz kratzbürstig und sonnenbebrillt verrucht tun, aber im Grunde nur auf den Arm wollen? Vorzugsweise auf den des Liebsten, mit dem sie im Diner um die Ecke pastellfarbene Milchshakes schlürfen? Dachten wir uns. Also dann: Dum Dum Girls als lebendige Kugeln in die Kanone gestopft, Still Corners auf die ebensolche Treppe verfrachtet, Chains Of Love in selbige gelegt – und wenn sie noch so sehr um Gnade säuseln. Nein, wir machen doch nur Spaß. All diese Bands sind richtig, wichtig und gut. Das Problem des Oldie-tendenziösen Indie-Hörers bleibt jedoch: Was tun, wenn ihm der Sinn gerade nicht nach gelber Limo und Toastbrot mit Zuckerstreuseln, sondern nach einem Brötchen mit grobem Mett steht? Shannon Shaw hätte da eine Idee.

Man weiß zwar nicht, was die nicht ganz unkorpulente Dame, die ansonsten bei Hunx And His Punx Bass spielt und zeitweise am Mikro steht, so zum Frühstück vertilgt. Vermutlich kommt aber deftiges auf den Tisch - wenigstens Ihrem Gesang nach zu urteilen, der in etwa an Wanda Jackson gemahnt, hätte sich diese zwecks Stimmölung hin und wieder einen guten Schluck Rohrreiniger gegönnt. Shaw walzt nämlich mit Shannon And The Clams im Gegensatz zum Rockabilly-Street-Punk ihrer Hauptband machtvoll in Richtung sechziger und fünfziger Jahre. Das heißt so viel wie: schroff produzierte Rohdiamanten aus Doo-Wop, Rock'n'Roll und frühem Torch-Song, gleichzeitig bluesig verzweifelt und so schmutzig angerotzt, dass die braven Mädchen verschreckt aus der Wäsche gucken.

Hat ihnen dieses blonde Gift doch gerade tatsächlich rülpsend das Getränk weggesoffen, ihnen dann die Eiswürfel in den Ausschnitt gekippt und ist danach mit dem wehrlosen Lover unterm Arm abgerauscht. Aber so ist das eben bei Shannon And The Clams: Heul nicht rum, wenn andere lachen. Und Grund zur Freude gibt es genug auf diesem herrlichen Schwitzkasten von einem Album, der die Verhältnisse von Vornherein klarstellt: Wenn der Frontkuchen spricht beziehungsweise röhrt, haben die Backing-Krümel Pause. Oder zumindest wenig zu melden. Gitarrist Cody Blanchard und Drummer Ian Amberson sorgen im Hintergrund aber immerhin für massive Riffs zwischen Psychobilly, Punkrock und Surf-Twang respektive für einen verdammt tighten Beat, während Shaw als Sängerin und Bassistin unbestritten das Sagen hat. 'Bass is boss' einmal anders.

Dabei lässt sie keinen Zweifel daran, dass sie die Männer mit Haut und Haaren fressen wird, sollten sich diese ihr gegenüber danebenbenehmen. Die launigen Doo-Wahs und Ooh-Las von "Rip van Winkle" wiegen nur kurz in Sicherheit – Washington Irvings Held frohlockte schließlich nicht ohne Grund, als er vom Ableben seiner Frau erfuhr. Der Typ aus dem Opener "Hey Willy" ist ohnehin längst über alle Berge. Das Titelstück setzt dem Ganzen mit psychotischer Punk-Monotonie und Meteors-Gegurgel vorläufig die Krone auf, und "I know" verabschiedet sich standesgemäß krachledern von der derben Sause. Doch so grobschlächtig sich Shaw auch geriert – Songs wie "Ozma" und die Zeile "I hate to wake up and everybody's gone" verraten ihr Dilemma: Am Ende wird sie immer verlassen. Aber natürlich nicht von Plattentests.de. So etwas würden wir doch nie tun.

(Thomas Pilgrim)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Rip van Winkle
  • Bed rock
  • Ozma
  • The rat house

Tracklist

  1. Hey Willy
  2. Rip van Winkle
  3. Bed rock
  4. Ozma
  5. If I could count
  6. In the river
  7. The rat house
  8. The rabbit's nose
  9. Heads or tails
  10. Unlearn
  11. Into a dream
  12. I know
Gesamtspielzeit: 40:26 min

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum