LaBrassBanda - Europa

Europa / Sony
VÖ: 14.06.2013
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Bummsfallera

Wenn es darum geht, ein Stück bayerische Kultur in die Welt zu tragen, war in der Vergangenheit wohl kaum eine Band so erfolgreich wie LaBrassBanda. Ist das schön, wenn alle zu Mundart-Musik tanzen, obwohl niemand Deutsch und schon gar nicht Bairisch versteht! Und selbst für die härtesten Fälle von Verständigungsproblemen haben die fünf Blosmusikanten rettende Geheimrezepte parat. Auf dem im vergangenen Jahr erschienenen Live-Album verkündete Sänger und Trompeter Stefan Dettl beispielsweise das Patentrezept für Konzerte im fernen Dänemark: Techno. Versteht jeder, funktioniert überall und die bayerische Version ist halt einfach etwas gmiatlicher.

Bassist Oliver Wrage entstammt tatsächlich der Berliner Technoszene. Kurz vor Veröffentlichung von "Europa" verkündeten LaBrassBanda, Wrage würde die Band verlassen - um sich auf seine Pop-Band WEITER und die Rolle als frischgebackener Vater zu konzentrieren. Das neue Album klingt beinahe so, als wollte er seiner Ex-Band zumindest eine neue Affinität zu elektronischer Musik mit auf den Weg geben. Denn wo bisher von Zeit zu Zeit eine handgemachte, augenzwinkernde Version von einer Art Techno stand, ist eine trocken produzierte 4-to-the-floor-Bassdrum auf "Europa" gern gesehener Gast. Das Problem: Computergenerierte Sounds sorgen zwar ähnlich wie die sparsam eingesetzten akustisch erzeugten Technobeats für nette Abwechslung, passen aber längst nicht so gut zur neo-zünftigen Feierei wie pure Manneskraft an analogen Instrumenten.

Ein, zwei Songs in elektronischem Gewand hätten ausgereicht, wenn die dann auch ordentlich als Spielwiese strapaziert worden wären. Stattdessen entsteht auf "Europa" häufig ein Mischsound, der zwar aufhorchen lässt, dessen Neuheitswert allein aber nicht ausreicht, um wirklich zu überzeugen. Denn irgendwie war es doch schon immer ein Teil des Charmes von LaBrassBanda, dass der Bandsound auf jeder abgelegenen Bergwiese reproduziert werden könnte, die Party-Hymnen aus blechernen Schalltrichtern statt aus überdimensionierten Soundsystems dröhnen. Und so cool wie die alte Barfuß-und-Lederhosen-Attitüde sind weder totproduzierte Bassdrums noch Stimmeffekte oder Synthie-Spielereien.

Aber genug gemeckert, denn jenes LaBrassBanda-Gefühl dominiert glücklicherweise auch "Europa". Wieder singt Dettl mit Elan über das weibliche Geschlecht ("Weil i di so mog") und wieder dürfte die Ladung neuer Songs ihre volle Kraft erst live entfalten. Doch nicht alles ist wirklich neu: "Hymne" beispielsweise darf schon länger bei keinem Auftritt der Band fehlen, um den Adrenalinpegel des Publikums wieder in kontrollierbare Bahnen zu lenken. Auch das majestätische "Russland" wurde schon auf seine Konzerttauglichkeit geprüft und sogar auf "Live - Olympiahalle München" festgehalten - da hieß es allerdings noch "El Paso". Mit "Nackert" spielten sich LaBrassBanda beim Eurovision Song Contest 2013 in die Herzen der Zuschauer und wurden Zweite. Ein Glück, denn beim Finale wäre Halbplayback Pflicht gewesen - nichts für LaBrassBanda. So knackige Bläser-Riffs wie in "Jacqueline" machen vom Band doch keinen Spaß. Dann lieber anderswo experimentieren: "Frankreich" liebäugelt mit French House und findet tatsächlich interessante Klänge, während "Holland" ein wenig zu eintönig auf Krawall macht.

Ob LaBrassBanda gedenken, die neuen Klänge auch in ihre Live-Sets zu integrieren, wird sich auf schweißtriefenden Konzerten zeigen. Sorgen sind aber wohl unangebracht, denn nirgendwo ist die Band stärker als auf der Bühne. Und zumindest da dürfte es dann auch halb so schlimm sein, dass "Europa" streckenweise merklich flacher geraten ist als seine Vorgänger. Ein Grund dafür könnte sein, dass der Wechsel vom kleinen Münchener Label Trikont zum Riesen Sony ungewohnten Zeitdruck mit sich brachte. "Wir waren für diese Platte noch keine zwei Tage zusammen am selben Ort", sagte Wrage Anfang März. Andererseits gilt es mit dem neuen Album ja auch, einen Trip quer durch den Kontinent anzutreten, zumindest musikalisch. Der beschauliche Chiemgau könnte weiterhin als Rückzugsort von der Weltenbummelei dienen. Oder aber der Freistaat Bayern wird einfach direkt zum Zentrum Europas erklärt.

(Konrad Spremberg)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Jacqueline
  • Nackert
  • Opa

Tracklist

  1. Tecno
  2. Jacqueline
  3. Holland
  4. Schweden
  5. Z'spat dro
  6. Nackert
  7. Sarajevo
  8. Frankreich
  9. Russland
  10. Western
  11. Griechenland
  12. Vogerl
  13. Opa
  14. Hymne
Gesamtspielzeit: 56:10 min

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