Art Brut - Top of the pops
The End / SoulfoodVÖ: 03.05.2013
Was macht eigentlich ...?
Was wurde eigentlich aus der Welle britischer Musiker, die vor ein paar Jahren die Welt überflutet hat? Naja, die ist wohl ein bisschen abgeebbt, möchte man meinen. Konnte ja auch nicht ewig so weitergehen, die Mischung macht's, und Abwechslung ist auch toll. Und so weiter. Das Quintett Art Brut lässt sich davon nicht beirren. Mit der Pünktlichkeit eines Schweizer Uhrwerks hat die Band seit 2005 alle zwei Jahre ein neues Album veröffentlicht, und man muss kein Mathegenie sein, um zu merken: 2013 ist es wieder so weit. Dass die Namen ihrer Alben dabei perfekt die Entwicklung der Band nacherzählen, ist sicher nur Zufall. Ganz sicher. Wir erinnern uns: 2005, "Bang bang rock and roll", Eddie Argos und seine Kollegen treten die Türe ein und nisten sich mit Hits wie "Emily Kane", "Modern art" oder auch "Formed a band" in den Gehörgängen ein. Zwei Jahre später folgt mit "It's a bit complicated" das tatsächlich komplizierte zweite Album, und nochmal zwei Jahre später schließen Art Brut mit "Art Brut vs. Satan" einen Pakt mit dem Herrscher der Unterwelt, der sich für die Band offenbar nur halb auszahlt. Mit "Brilliant! Tragic!" kriegen sie dennoch die Kurve und sichern sich einen immerhin einen kleinen Platz in den Herzen der Hörer - unter Maximo Park, hinter den Arctic Monkeys, eingequetscht zwischen den etwas größeren Bloc Party und Franz Ferdinand. Aber einen Platz haben sie. Immerhin.
2013 sollte es also wieder was geben von Argos & Co., doch unsere topinformierten Leser werden längst wissen, dass die Band ihre eigene Chronologie bricht und ein neues Album erst 2014 zu erwarten ist. Mit "Top of the pops" gibt es vorerst nur eine Compilation, die die Zeit zum nächsten Werk aber bestens zu überbrücken weiß. "All killer, no filler" könnte das Motto der ersten CD lauten, auf der sich ganze 16 der besten, schönsten, beeindruckendsten Songs von Art Brut befinden sollen, neben zwei neuen Stücken. Ein kurzer Blick - ja, alles drauf. Den Einstieg bilden fünf Songs des Debüts "Bang bang rock and roll", logischerweise mit "Formed a band" als Opener, auf dem sie 2005 ankündigten, einen genialen Song zu schreiben, mit dem sie acht Wochen in Folge bei "Top of the pops" auftreten wollen. Derweil sind Argos und seine Zuhörer nach wie vor verliebt in "Emily Kane", und "My little brother" kennt Rock'n'Roll mittlerweile viel besser als damals. Weiter geht's in die Phase von "It's a bit complicated", "St. Pauli" ist noch viel schöner geworden, als man es in Erinnerung hatte, und Punkrock ist immer noch nicht tot, genauso wenig wie "Nag nag nag nag".
Von "Art Brut vs. Satan" gibt es unter anderem "DC comics and chocolate milkshake" zu hören, bei dem es sich selbst mit Kopfhörern alleine auf dem heimischen Sofa noch wunderbar mitgrölen lässt. Einzig schade ist, dass auf "Mysterious bruises" verzichtet wurde, aber man kann nicht alles haben. Nachdem sich die Band gebührend mit dem völlig unterbewerteten "Sealand" und der Hommage an "Axl Rose" von den regulären Alben verabschiedet hat, gibt es mit "Arizona Bay" und "We make pop music" zwei neue Songs, die sich geradezu nahtlos ins bisherige Schaffen einfügen. Das eigentliche Highlight von "Top of the pops" ist aber die zweite CD, auf der sich neben ein paar Liveaufnahmen und Demos auch Coverversionen und B-Seiten befinden - also quasi alles, was das Sammlerherz begehrt. Wieder macht "Formed a band" den Anfang, allerdings in einer deutlich roheren und schrammeligeren Version, die dem Original in nichts nachsteht. Die von Pulp-Gitarrist Russell Senior produzierten Originalfassungen von "Blame it on the trains", "Post soothing out" und "St. Pauli" lassen nur erahnen, wie "It's a bit complicated" wirklich hätte klingen können, wenn man bei den ursprünglichen Plänen geblieben wäre.
Die beiden B-Seiten von "Emily Kane" zeigen dann noch eine andere Seite von Art Brut, mit dem einerseits komplett instrumental startenden "Maternity ward", das sich erst im letzten Drittel als eigentlich sehr verspielt entpuppt, und besonders mit "About time", dessen akustische Melodie und der "Whooo hooo hooo"-Refrain mit so viel Charme auftrumpfen, wie man es sonst nur bei den Mitmach-Nummern erwartet hätte. Überhaupt: Dass sie auch Softies sein können, beweisen die fünf in "Catch", einem durchaus gelungenen Cover von The Cure, das die ursprüngliche Idee von "Emily Kane" entfacht hat und in das sie ihre eigene Nummer klammheimlich einfach einbauen. Deutlich schnodderiger geben sie sich auf "Moved to LA", und bei "Just desserts" fragt man sich, warum nicht diese alternative Version es als B-Seite auf "Alcoholics unanimous" geschafft hat - oder gleich aufs Album. Kurz vor Schluss gibt es "Her Majesty" schließlich noch ein zunächst etwas gewöhnungsbedürftiges Beatles-Cover, bei dem unüberhörbar Black Francis seine Finger im Spiel hatte, bis sich Art Brut mit einer Liveaufnahme von "Post soothing out" aus ihrer Wahlheimat Berlin verabschieden. Wer Compilations sonst scheut, sollte sich "Top of the pops" unbedingt zulegen, da es selten eine liebevoller zusammengestellte Zusammenstellung der besten Songs einer Band gibt, deren Platz in den Herzen womöglich kleiner ist als der der anderen, aber dafür doppelt so sicher.
Highlights & Tracklist
Highlights
- My little brother
- Emily Kane
- Nag nag nag nag
- DC comics and chocolate milkshake
- Axl Rose
- We make pop music
- Blame it on the trains (Produced by Russell Senior)
- About time
- Catch
- Just desserts (Alt. version of B-Side to Alcoholics unanimous)
Tracklist
- CD 1
- Formed a band
- My little brother
- Emily Kane
- Modern art
- Good weekend
- Direct hit
- Nag nag nag nag
- St. Pauli
- Pump up the volume
- DC comics and chocolate milkshake
- Alcoholics unanimous
- Summer jobs
- Demons out!
- Axl Rose
- Sexy sometimes
- Lost weekend
- Sealand
- Arizona Bay
- We make pop music
- CD 2
- Formed a band (Early Keith Top Of The Pops version)
- Bad weekend (Early Keith Top Of The Pops version)
- These animal menswear
- Modern art (Early Keith Top Of The Pops version)
- Maternity ward
- Blame it on the trains (produced by Russell Senior)
- Post soothing out (Produced by Russell Senior)
- St. Pauli (Produced by Russell Senior)
- About time
- Ignorance is bliss
- Catch (The Cure cover)
- Modern art (recorded for Berlin Live)
- Just desserts (Alt. version of B-Side to Alcoholics unanimous)
- Moved to LA (Art Brut vs. Satan iTunes bundle)
- Weird science
- Positively 5th street
- The great escape (We Are Scientists / Lynyrd Skynyrd cover)
- Her Majesty (Beatles cover arranged by Black Francis)
- Post soothing out (Recorded for Berlin Live)
Referenzen
Spotify
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