Patrick Richardt - So, wie nach Kriegen
Grand Hotel van Cleef / IndigoVÖ: 25.01.2013
Das schöne Jammern
Mit dem Tamburin kann man die Welt erklären. Das hat zumindest Bob Dylan bewiesen. Der Krefelder Patrick Richardt hat sich das abgeschaut und rumpelt im brennenden "Adé, adé" wie ein mittelloser Hobo, dem die Welt zu Füßen liegt. Das ist ganz schön prätentiös, geht aber sofort ans Herz. Das Label mit den drei Sternen im Logo geht damit offensiv um: "Knyphausen & Ton Steine Scherben & Bob Dylan & Bright Eyes" steht da in der Referenz-Zeile des Verkaufstextes und umreißt damit das Wesentliche. Noch hinzuzufügen wäre: "Westernhagen & Grönemeyer & Lindenberg". Richardts Debütalbum hätte nämlich nicht hochtrabender ausfallen können.
Ebenso wie der Titel "So, wie nach Kriegen". Immerhin klingt das Album entsprechend: gemartert und desillusioniert, nach verbrannter Erde und eingestürzten Reihenhaussiedlungen. Mit schwerem Klavier, offenen Akkorden und kratziger Stimme kämpft der Mann mit Gitarre gegen das harte Leben. Ungeschönt und ohne Ironie: "Der Bäcker um die Ecke / Hat den Kaffee den ich brauche / Damit ich jetzt nicht verrecke" heißt es in "Planet". Diese selbstmitleidigen Phrasen sind schwer zu ertragen und mindestens bei Gisbert zu Knyphausen abgeschaut. Trotz der steten Larmoyanz ist das alles jedoch charmant, einnehmend und bis zum letzten Akkord konsequent.
Gleich die ersten beiden Songs sind es, die "brennen, brennen, brennen wie phantastische gelbe Wunderkerzen", um ein altes Jack-Kerouac-Zitat zu bemühen. Da ist es, dieses Gefühl der Unendlichkeit, umrissen vom Licht der Sterne, mit der Faust in der Luft. "Adé, adé" klingt schwer nach "Blonde on blonde", mit Klavier, Tamburin und den üblichen Verdächtigen. Dass "So, wie nach Kriegen" nach diesen beiden ersten Kanonenschlägen an Fahrt verliert, kann man Richardt kaum vorwerfen. Vorlagen für die Steckbriefe in Poesiealben gibt es auf dem Rest des Albums dennoch genug.
Richardt hat großen Spaß am Aufstöbern und Hineinwerfen von Referenzen. Da steht der gefällige Folkrock von Buffalo Springfield Pate, unsterbliche Melodien von Fleetwood Mac werden ausgegraben und die Emphase von Bruce Springsteen zweckentfremdet. "So, wie nach Kriegen" ist durch und durch amerikanisch, wenn denn da nicht diese phrasierten Texte wären. Die wären selbst John Mellencamp an so mancher Stelle nicht über die Lippen gekommen. Kann man jedoch darüber hinwegsehen, dann ist "So, wie nach Kriegen" eine ansprechende musikalische Verbeugung vor glorifizierten Zeiten für zwischendurch.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Wir segeln
- Adé, adé
- Wie nach Kriegen
Tracklist
- Wir segeln
- Adé, adé
- Morgenlicht
- Gleichstrom
- Herz versagt
- Fliegen lernen
- Wie nach Kriegen
- Wie die Meere entstehen
- Planet
- Eisblock
- Vorbei
- Lichterloh
- (La la la) Land
Referenzen
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