Indians - Somewhere else

4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 25.01.2013
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Der Strom der Zeit

Kein Indianer hätte jemals solche Musik gemacht. Nicht etwa, weil Büffeljagd, Kriegsbemalung oder Fruchtbarkeitstänze interessanter wären, sondern weil ihnen dafür schlichtweg die Grundvoraussetzung gefehlt hätte: Strom - jene magische Kraft, die in neumodischen Behausungen einfach aus der Wand kommt. So auch im Domizil des sympathischen Dänen Søren Løkke Juul, der nach zehn Jahren als Keyboarder in diversen Kopenhagener Bands nun sein Debütalbum "Somewhere else" veröffentlicht, unter dem Namen Indians. Innerhalb weniger Monate hatte er die Songs für sein Solowerk geschrieben, im Februar 2012 sein erstes Konzert gespielt und kurz darauf einen Plattenvertrag bei dem renommierten Londoner Indie-Label 4AD ergattert. Beirut, Other Lives und Perfume Genius luden Juul ein, ihre Konzerte zu eröffnen, er spielte Sessions für beliebte amerikanische Radiosender und verschenkte aus Dankbarkeit seinen Song "Cakelakers" an jeden, der ihn haben wollte.

Dass Juuls Künstlername Indians im Plural steht, kommt natürlich nicht von ungefähr: Der Gute ist ein modern ausgerüsteter Alleinunterhalter und personifiziert eine mindestens vierköpfige Band, die bei Bedarf auch zu einem zwanzig Mann starken Streicherensemble heranwachsen kann. Je nachdem, welche Knöpfchen er gerade drückt oder welche Regler er in welche Richtung schiebt. Auf einem platzsparenden Keyboard, das ungefähr halb so viele Tasten wie ein traditionelles Klavier hat, begleitet der 33-Jährige sich und seine elektronischen Expeditionen. Unplugged-Versionen? Undenkbar. Auch wenn Juul bei "I am haunted" und dem erwähnten "Cakelakers" ausnahmsweise eine echte Akustikgitarre zur Hand nimmt und durchaus eine gewisse Folk-Kompetenz erahnen lässt. Aber die Basis seiner Musik, das charmant Zuckerwattige, das Sphärische, das Traumwandlerische, dieser Zauberwald aus synthetischer Flora und Fauna - all das ließe sich kaum mit gezogenem Stecker rekonstruieren.

Was dennoch in voller Schönheit erstrahlen würde, ist Juuls liebliche Kopfstimme, die gelegentlich zum Falsett wird und vermutlich sogar in einer wohlerzogenen Rockoper wüsste, was zu tun ist. Ohnehin haben diese zehn Lieder etwas würdevoll Majestätisches - sie tragen Hermelinmantel zur Unterwäschegarnitur aus Polyester. Dabei behauptet Juul im hervorragenden Opener doch etwas ganz anderes: "The war is just outside my door / And I'm going out to win / My clothes are lying on the floor / And I'm naked in the wind." Wie dem auch sei, in Sachen Melodiefindung gibt sich der Däne keinerlei Blöße, zumindest nicht in der ersten Albumhälfte. "New", "Bird" und auch noch "Reality sublime" erweisen sich als ebenso hübsch wie memorabel. Dem Rest fehlen mitunter etwas die Konturen, der eine oder andere Synthesizer ist ein wenig zu vorlaut und der Vorrat an Ideen ausgeschöpft, bevor die Platte zuende ist. Und trotzdem: "Somewhere else" wird mühelos dafür sorgen, dass Juul auch weiterhin seine Stromrechnung bezahlen kann. Indianerehrenwort.

(Ina Simone Mautz)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • New
  • Bird
  • Reality sublime

Tracklist

  1. New
  2. Bird
  3. I am haunted
  4. Magic kids
  5. Lips, lips, lips
  6. Reality sublime
  7. Cakelakers
  8. La femme
  9. Melt
  10. Somewhere else
Gesamtspielzeit: 44:53 min

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