Ben Harper with Charlie Musselwhite - Get up!

Concord / Universal
VÖ: 01.02.2013
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Es war einmal in Amerika

Staubig ist es, die Sonne brennt erbarmungslos auf die Erde runter, der Boden ist hart, das Atmen fällt schwer. Eine öde Landschaft, fast nur Sand und ein paar Berge hinten am Horizont, keine Menschenseele weit und breit. Die Straße ist noch ein paar Kilometer entfernt, das nächste Wohnhaus sowieso. Der Mann, den sie Ben Harper nennen, wischt sich mit dem rechten Ärmel seiner Jeansjacke den Schweiß von der Stirn, sein weißes Unterhemd ist fleckig und stellenweise durchlöchert. Er muss weiter. Die Kippe im Mundwinkel bekommt er kaum noch mit, seine Lederschuhe sind schwer. Schritt für Schritt, immer weiter. Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss. Und was bleibt ihm überhaupt noch im Leben? Frau weg, Kinder weg, wie ein einsamer Wolf ist er jetzt auf der Suche. Also auf zu seinem Kumpel Charlie Musselwhite, mehr Vaterfigur als Freund. Der wird ihm schon helfen.

Wann immer es um Harper ging, wussten die Städter: Das ist ein echter Kerl. Einer, der seine Gitarre hält wie ein Gewehr und dem seine Musik mehr wert ist als alles andere. Wenn er aus seinem Auto stieg, die Sonnenbrille auf der Nase, hieß es: Achtung, da kommt Ben. Eine Zeit lang hing er mit verschiedenen Typen rum, den Innocent Criminals, den Blind Boys Of Alabama, den Relentless7, und es gab sogar mal eine Zeit, da gab es kein Vorbeikommen an ihm. Zehn Jahre ist das her. Seitdem gibt es viele von dem Schlag. Aber nur einen wie ihn. Er weiß das, und er will es beweisen. Mit Musselwhite schreibt er die Geschichte nun weiter, "Get up!" heißt das neue Kapitel seines Lebens, und das ist kein Ponyhof, sondern der Blues. "Don't look twice" deutet das schon an, noch erzählt Harper nur vor sich hin, schunkelt sich langsam in die Euphorie und bleibt doch zwei Schritte vor dem Ziel stehen.

Böse Zungen würden nun behaupten, dass ihm die Puste ausgegangen ist, andere halten es vielleicht für Kalkül. Beide liegen falsch. So ist er eben. Er zieht sein Ding durch - die anderen können reden, er handelt. "You found another lover (I lost another friend)" macht wie alle Stücke des Albums Gebrauch von der Mundharmonika, dem Hauptinstrument eines jeden, der den Blues hat. Dazu zupft Harper seine Saiten, fährt aber auch hier nur im zweiten Gang, statt das Pedal durchzutreten. Erst mal in den Saloon und sich einen ordentlichen Schluck genehmigt. Bei "We can't end this way" ertönt irgendwo ein Gospelchor, die Leute klatschen - so klingt der Süden. Klar kann er es noch, selbst wenn er eigentlich von der Westküste kommt. Und Musselwhite ist zweifelsohne der richtige Typ für den Job: Hier haben zwei Bluesbrüderschaft geschlossen.

Aber was wäre die männlichste aller Geschichten, wenn es hier nicht auch dreckig wäre, wenn die Wut im Bauch nicht so groß würde, dass der ganze Körper vibriert, das Bierglas gegen die Wand fliegt und der Typ, der ihm gerade noch dumm kam, gleich hinterher. "Blood side out" lässt dieser Aggression freien Lauf, schaltet mit ordentlich Strom unterm Hintern endlich hoch und brettert mit Karacho nach vorne. Und wenn die Karre nicht mehr will, auch gut - dann geht es ab aufs Pferd, und "I ride at dawn" stapft langsam in den Sonnenuntergang. Noch ist es schwül, aber die Nacht wird kalt. Ein Geier verfolgt ihn immer mit dem nötigen Abstand. Aber heute stirbt hier keiner. Obwohl die Reise bald vorbei ist. Auch die männlichste aller Geschichten hat irgendwann ein Ende, und "All that matters now" ist der gelungene Abschluss. Harper zeigt, dass ihm nicht immer kurz vorm Ziel die Puste ausgeht, sondern dass er da noch einmal richtig anziehen kann. Aber das hatte ohnehin niemand bezweifelt.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • We can't end this way
  • Blood side out
  • I ride at dawn
  • All that matters

Tracklist

  1. Don't look twice
  2. I'm in I'm out and I'm gone
  3. We can't end this way
  4. I don't believe a word you say
  5. You found another lover (I lost another friend)
  6. I ride at dawn
  7. Blood side out
  8. Get up!
  9. She got kick
  10. All that matters now
Gesamtspielzeit: 40:34 min