
Die! Die! Die! - Harmony
Golden Antenna / Broken SilenceVÖ: 09.11.2012
Sauer macht wuchtig
Auf "Form" folgt "Harmony" - wer Die! Die! Die! für ihren Noise-Pop liebgewonnen hat, der mag sich da schon ein wenig Sorgen machen ob der Entwicklung der drei Neuseeländer. Statt zackigem Shoegaze-Punk wie auf dem Vorgänger jetzt also mehr Placebo, Populismus und noch irgendwas mit "P"? Weit gefehlt: In der Tat zeigen sich Die! Die! Die! auf "Harmony" so vergrätzt und gallig wie nie zuvor. Produktion, Sound und musikalische Orientierung ihres mittlerweile vierten Albums schaben sie mit der Vierkantreibe bis auf Fleisch und Knochen herunter - definitiv eine besondere Art, sich der eigenen Vergangenheit zu stellen und zu schauen, was als Substanz darunterliegt.
Im Ergebnis spielen Die! Die! Die! unter dichten Soundschleiern Verstecken mit Melodien, Sätzen und nicht zuletzt rhythmischem Druck. Das Schlagzeug wirkt oftmals hoffnungslos unterproduziert, die Snare blass wie nasse Platzpatronen - allerdings nur, um zu den kreischend über den Bundsteg kratzenden Achtelnoten von "Erase waves" fauchend aus der Deckung springen zu können. Das Riff von "Trinity" klingt zunächst, als müsse sich "My hero" von den Foo Fighters aus dem anderen Ende der Nachbarwohnung durch jeweils 15 Tapetenschichten pro Wand boxen. Schließlich entwickelt sich aber auch hieraus ein Shoegaze-Pop-Bolide, der sich selbst mit einer Menge Noise und Punk verprügelt. Und auch sonst zeigt vor allem die Gitarrenarbeit von "Harmony" ebenso viele Krallen auf der Schiefertafel wie Lichtermeere am Firmament.
Die! Die! Die! verfolgen diesen Weg derart konsequent, dass selbst der hochmelodische Schluss von "Harmony" in wabernden Lärmkaskaden absäuft und auch die Brian-Molko-Melodie, die Sänger Andrew Wilson dazu durch die Lungenflügel weht, eher Winke-Winke macht statt großes Halligalli. Zu "No one owns a view", "16 shades of blue" und "Changeman" variiert dann auch Wilson seinen Vortrag, spitzt die Vokale an, verätzt die Konsonanten durch leichte Distortion und spuckt die Sätze schließlich mit hörbar aggressiver Grundhaltung in die Musik. Dazu knistern die Riffs, als würden sie aus Milliarden kleiner Kurzschlüsse bestehen. Und oftmals ist es dann eher der Bass, der durch eine Notenverschiebung die Anmutung von Elegie und Melodie durch die Arrangements drückt.
Was auch immer sich Die! Die! Die! also bei diesem Sound, diesem Plattentitel und dieser Bandentwicklung gedacht haben: "Harmony" klingt wirklich präzise so, als hätte man unglücklicherweise den Proberaum zwischen den frühen Sonic Youth und den mittleren Slowdive gemietet. Ein einziger schwebender, zugleich aber zickiger und unglaublich scharfkantiger Soundpulsar, der sich zudem eher auf die Clashs und Missverständnisse, damit aber auch auf die Präsenz seiner Grenzerfahrungen konzentriert. Konsequent ist das, überraschend und ein Pfund, das es durchzuhalten gilt - und zwar bis zu den letzten Takten von "Get back", das zunächst als formvollendete Space-Rock-Ballade ordentlich Stimmung macht, schließlich aber eben dafür links und rechts was um die Ohren kriegt. Spätestens damit ist "Harmony" eine jener seltenen Platten, die sich partout nicht befrieden lassen. Und das darf durchaus immer mal wieder als starke und wichtige Haltung gelten.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Harmony
- Trinity
- 16 shades of blue
- Get back
Tracklist
- Oblivious, oblivion
- Harmony
- Erase waves
- Trinity
- Seasons revenge
- No one owns a view
- Changeman
- 16 shades of blue
- Twitching sunshine
- Get back
Referenzen
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