Yesterday Shop - Yesterday Shop

Trickser / Broken Silence
VÖ: 16.11.2012
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Einfach mal abschalten

Vielleicht sollte zuallerst das Negative des Albums geklärt werden. Es ist auf 44 Minuten begrenzt und damit viel zu kurz. So, dieser Punkt wäre abgehakt. Jetzt könnte man natürlich zu den positiven Dingen kommen, jedoch scheint es an dieser Stelle angebrachter zu sein, näher auf die Band, die die knappe Dreiviertelstunde mit Musik füllt, einzugehen. Schließlich wirkt es so, als wären Yesterday Shop wie aus dem Nichts aufgetaucht. Ihre Musik wird gerne als Indie-Pop beschrieben, allerdings ist es doch noch ein bisschen mehr als nur das. Vielmehr verweben Yesterday Shop gekonnt Elemente des Indie-Pop oder -Rock mit elektronischen zu einem wundervollen sphärischen Klang. Ja gut, dieses musikalische Konzept ist nichts Neues und wird gerade im Moment oft und gerne verwendet. An dieser Stelle könnte man die Frage stellen, warum Yesterday Shop dann bitte noch nicht bekannter sind, wenn sie schon auf dieses erfolgreiche Pferd setzen. Vielleicht liegt es an der Reizüberflutung beim Hörer, vielleicht aber auch an der Tatsache, dass die fünf Herren nicht etwa aus Amerika oder England oder wenigstens Berlin kommen. Nein, gebürtig stammen sie aus dem Schwabenland, aus Reutlingen und Balingen, um genauer zu sein. Mittlerweile hat sie es aber doch nach Hamburg und Berlin verschlagen, wo sie ihr eigenes Label gegründet haben, auf dem jetzt ihre erste Platte erscheint.

Schon das erste Lied des selbstbetitelten Albums zieht den Hörer sofort mit. Rein instrumental, mit sphärischen Klängen und leisem Trommeln im Hintergrund eröffnet "Voile" die wohlklingende Welt von Yesterday Shop. Diese steckt auch noch voller Kreativität. Das mag angesichts des Umstandes, dass Yesterday Shop Musiker sind, und diese eigentlich immer vor Kreativität übersprudeln, nicht der Rede wert sein. Bei der Auswahl der Songtitel sollte man allerdings zweimal hinsehen. So geht der Titel "Me and Meursault“ beispielsweise auf Albert Camus' Roman "Der Fremde" zurück, "Paris syndrom" ist eigentlich der Name einer psychischen Störung, und "Fat man and little boy" bezieht sich auf die beiden Atombomben, die 1945 über Nagasaki und Hiroshima abgworfen wurden und eben die Codenamen "Fat man" und "Little boy" besaßen. Diese unsagbar schreckliche Tat greifen Yesterday Shop nochmals auf. "Nuclear world", singen sie und verzichten darauf, eine lange Geschichte von früher zu erzählen. Mit den paar Sätzen, die sie benutzen, dürfte alles gesagt sein.

Während Lieder wie "Paralyzing" eher experimentell und ruhig sind, gibt es auch noch diejenigen, die mit leisen Tönen anfangen, um diese dann in einem Massentumult explodieren zu lassen. Jenes "Fat man and little boy" wäre so eines, aber auch "Me and Meursault", bei welchem sich ein Shoegaze-Klang langsam zum Indie-Rock entwickelt und auf einmal nichts mehr so klingt wie vorher. So ein bisschen mögen Yesterday Shop vielleicht an die frühen Radiohead erinnern. Das Album auf jeden Fall will so richtig zum Winter passen, mit der etwas düsteren, melancholischen Stimmung, die es vermittelt. Gleichzeitig wird aber auch ein Gefühl der Geborgenheit vermittelt. Man stelle sich nur einen düsteren Wintertag vor, an dem man eingewickelt in einer Wolldecke im warmen Wohnzimmer sitzt und mit einer Tasse Tee in der Hand nach draußen schaut.

Dieses Album überzeugt durch seine leisen, nachdenkerischen Töne, die sich langsam anschleichen und sich im Gehörgang festsetzen. Die Texte werden oftmals mehrstimmig vorgetragen und mit einzigartigen Gitarrenmelodien und tiefen Bässen untermalt. Da ist es auch gar nicht schlimm, dass manche Lieder nur aus fünf Zeilen zu bestehen scheinen, die sich einfach immer wieder wiederholen. Klingt einfallslos? Ist es aber nicht. Gerade dadurch lauscht man gespannt der Musik und schafft es vielleicht für eine gewisse Zeit, die Alltagssorgen zu vergessen. Yesterday Shop ist eine dieser Platten gelungen, bei denen man nach dem Hören die Augen öffnet und sich verwundert im eigenen Zimmer wiederfindet, obwohl man gerade eben doch noch in einer ganz anderen Welt feststeckte. Wenn man dieses Album hört, schafft man das, was Peter Lustig am Ende einer jeden Folge gefordert hat: abzuschalten.

(Nora-Lynn Höhl)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Fat man and little boy
  • Me and Meursault
  • We like Chopin

Tracklist

  1. Voile
  2. Fat man and little boy
  3. Winter act I
  4. Slow motion olymp
  5. Paralyzing
  6. Paris syndrom
  7. Ludwig II
  8. Me and Meursault
  9. Modern philosophy
  10. Winter act II
  11. We like Chopin
Gesamtspielzeit: 44:07 min

Im Forum kommentieren

catpain kidd

2014-03-13 11:21:01

Klingen mir immer zu sehr nach Fury in the Slaughterhouse. Das ist so distinguierter Midtempo--Rock, den ich so gar nicht mag - so The National Kram halt.

@

2014-03-12 23:12:57

KNACKENDE SCHUHE!

musie

2014-03-12 22:43:44

sehr schönes neues lied und video!

Armin

2012-11-23 19:55:22

Das oben angemerkte wird jetzt angepasst, danke für Eure Hinweise.

2012-11-22 12:21:44

Foals?

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum