Pinback - Information retrieved

Temporary Residence / Cargo
VÖ: 16.11.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Genug ist genug

San Diegos Indiepop-Helden Pinback, aka Zach Smith und Rob Crow, gehörten zwar nur zwei Alben lang zur Touch-And-Go-Familie, waren jedoch ab der ersten Note herzlich bei ihnen willkommen und fortan eng mit ihnen verbunden. Somit hätten sie ab dem Kälteschlaf der Chicagoer Plattenlabel-Institution im Jahr 2009 Grund genug gehabt für Tabula rasa, Neuanfang, Reformation. Doch Pinback entschieden sich wie viele ihrer ehemaligen Kollegen einfach fürs Weitermachen. Keine Neubestimmung in Sound, Produktion oder Arrangement. Stattdessen Beharren, Verlässlichkeit, vielleicht gar ein wenig Trotz. Recht so, denn wer sein eigenes Label ist, der braucht weder eine Corporate Identity noch ein externes Portfolio. Hinzu kommt: Wer sich wie Pinback fünf Jahre Zeit lässt für sein neues Album, überlebt wohl automatisch so manches und manchen aus der unmittelbaren Freundes- und Nachbarschaft - allein deshalb aber noch lange nicht sich selbst.

"Information retrieved" stellt das bereits mit den ersten Takten klar, denn "Proceed to memory" ist wohl der beste und dichteste Song, den Pinback seit "Summer in Abaddon" geschrieben haben. Mit seinen wie gut geölte Zahnräder und Kugellager ineinandergreifenden Bass- und Gitarrenfiguren, einer erhebenden Kontermelodie, einem ebenso druckvoll wie leichtfüßig voranhüpfenden Beat sowie Crows zugleich grunderregter und -entspannter Stimme, gepaart mit durch die Arrangements fliegenden "Oho"s, stimmt hier wirklich alles. Und wenn bei Pinback alles stimmt, dann bekommt man es mit einem feisten Euphoriebrocken zu tun, der mit breiten Grinsebacken die Seele hinabgleitet. Auch in der Folge spielen Smith und Crow ureigene Trümpfe en masse aus: mathpoppende Wimmel-Akkorde, die sich zu ihrem typischen Backbeat-Funk verdichten, einzelne Klavierfiguren, die zusätzlich Stimmung machen, ein Schlagzeug, das eben noch programmiert klingt, sogleich aber wieder warm und analog - und eben Crows Stimme, die den Riffs Beine macht, sich aber auch periodisch über sie erhebt.

Zu all dem schichten Pinback nach wie vor Strophe auf Bridge auf Strophe auf Bridge. Klar - waschechten Refrains misstrauten Smith und Crow schon immer. Und sie sehen keinerlei Grund, zum fünften Album etwas daran zu ändern. Das heißt allerdings nicht, dass "Information retrieved" ausschließlich auf Nummer sicher gehen würde. "Diminished" etwa gründet auf einem Klaviertune, den man eher einem Robbie-Williams-Songwriter um die Jahrtausendwende zugetraut hätte, und auf "True north" bringen Violine und Cello all die kurz vor "Plopp" betonten Zählzeiten zum Fließen. Diese Neuerungen sind aber allenfalls kleine Schritte im Pinback-Universum. Stets braucht es nur ein paar Sekunden, und schon sitzen sie wieder derart sattelfest im ureigenen Soundgewand, dass Reminiszenzen sanft verrinnen oder in einem ergreifend poppigen Finale aufgeschlossen werden.

Nach wie vor heißt also Pinbacks Lieblings-Formel: Sound schlägt Refrain schlägt Rambazamba schlägt Zwangsinnovation. Bis zum Ende behalten sie recht damit - beinahe. Denn nach hinten raus beginnt der Hörer durchaus ein wenig Mitleid zu haben: mit den süß-sauren Klaviertakten des abschließenden "Sediment", mit dem beinahe fröhlich stimmenden Midtempo und den angezerrten Gitarren von "Denslow, you idiot!" oder mit "A request", zu dem Smith und Crow die Vier- und Sechssaiter erneut zu einem erstaunlich kristallklaren Riffing verbinden. Sie alle hätten durchaus einen Refrain als zusätzlichen Aufputscher verdient gehabt, benötigen ihn aber nicht wirklich. Denn seit Jahr und Tag adelt Pinback eben auch die spielerische Leichtfertigkeit, mit der sie solches Potenzial links liegen lassen. Stattdessen: "One to fix you / One to take you on / One to heal you / One to lead you on." Doch, das darf durchaus schon mal reichen.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Proceed to memory
  • Glide
  • Diminished
  • True north

Tracklist

  1. Proceed to memory
  2. Glide
  3. Drawstring
  4. Sherman
  5. His phase
  6. Diminished
  7. True north
  8. A request
  9. Denslow, you idiot!
  10. Sediment
Gesamtspielzeit: 38:06 min

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