
Sandra - Stay in touch
Virgin / EMIVÖ: 26.10.2012
Mildernde Umstände
Nörgelrepublik Deutschland: Wenn ein inzwischen 50-jähriges Nesthäkchen der Achtziger ihre damalige Erfolgsformel mit Unterstützung von bisher wenig tiefgrabenden Soundarbeitern wie dem Enigma-Mitverantwortlichen Jens Gad und dem Produzentenduo Blank & Jones zu exhumieren versucht, prädestiniert sie das prinzipiell als ideales Opfer für die dankbaren Musik(hin)richter der Nation. Nicht von ungefähr schlägt das Synonymwörterbuch für "rezensieren" Begriffe wie "zerlegen", "zerpflücken" und "zerreißen" vor. Und in der Tat legt schon die im Booklet illustrierte Konservierung ihrer nur geringfügig realitätsnahen Äußerlichkeit nahe, dass Sandra inzwischen zu einem deprimierenden Menetekel des personifizierten Anachronismus mutiert sein könnte. Und doch besteht Grund, in puncto Bewertung die subversiven Zwangshandlungen im Zaum zu halten.
Die Absicht, mit "Stay in touch" einem Back-to-the-roots-Album eine atmosphärisch angemessene Achtziger-Attitüde zu verpassen, wurde nämlich durchaus überzeugend umgesetzt. Jeden nicht völlig dilettantisch veranlagten Musikschaffenden dürfte das aber ohnehin vor keine großen Schwierigkeiten stellen. Anders sieht es da schon mit dem Schreiben guter Songs aus. Mal ehrlich: Selbst in ihrer Blütezeit genügte Sandras zuckersüßes Stimmchen gerade noch den damaligen Mindeststandards - neben der effizienten Imagebildung war es vielmehr das eigentliche Liedgut, das ihren Ikonenstatus begründete. Wer findet nicht heute noch nostalgietrunkenen Gefallen an einprägsamen Klassikern wie "(I'll never be) Maria Magdalena", "Everlasting love", "Hiroshima" oder dem fulminanten "In the heat of the night"?
Von solchen Kalibern ist auf "Stay in touch" aber weit und breit nichts zu entdecken. Jenseits der durch gekünstelt-gefällige Instrumentierung erwünschten Alterserscheinungen ist ein mäßig fideles "Infinite kiss" schon fast das höchste der althergebrachten Gefühle. Wie auch im erträglichen Titeltrack wird allerdings deutlich, dass die Beteiligten den ursprünglichen Sandra-Sound vor allem mit auf Dauer monotoner Rhythmik, rudimentären Refrains und als mystisch verstandener Akzentuierung zu verbinden scheinen.
Eine auf Albumlänge überstrapazierte Methode, die im Falle allzu aufdringlich klimpernder Banalbeats und verzerrter Stimmspielereien wie in "Moscow nights" oder "Angels in my head" definitiv zum kritischen Erstschlag verleitet. "Stay in touch" macht aber eben auch mildernde Umstände wie "Kings & queens" oder "Sand heart" geltend. Mit solchen zaghaften Andeutungen früherer Klasse plündern Sandra & Co. zwar munter den eigenen Second-Hand-Laden, aber das kann aus der Retrospektive durchaus als Pluspunkt verbucht werden. Und so ist davon abzusehen, das Album im eingangs erwähnten Sinne zu rezensieren - wird Sandras Fangemeinde doch ein gerade noch hinreichendes Maß ihres Achtziger-Schicks dargeboten. Wer seine Heldin auf der Höhe ihrer Zeit erleben möchte, ist mit den alten Hits aber ganz klar besser bedient.
Highlights & Tracklist
Highlights
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Tracklist
- Stay in touch
- Infinite kiss
- Between me & the moon
- Maybe tonight
- Moscow nights
- Heart of wax
- Kings & queens
- Angels in my head
- Sand heart
- Love starts with a smile
- Sun in disguise
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