Neil Halstead - Palindrome hunches
Sonic Cathedral / Full Time Hobby / Rough TradeVÖ: 09.11.2012
Kleine Lichter im Dunkeln
Ein Mann und eine Akustikgitarre: Nick Drake hat gezeigt, wie das geht. Über den unwahrscheinlichen Shoegaze-Umweg ist der ehemalige Slowdive-Sänger Neil Halstead dort angekommen, wo sich echte Männer über ihre Tränen nicht schämen müssen. Mit seiner Band Mojave 3 nimmt der Brite seit 1995 kleine Popsongs auf, die einer großen Fangemeinde kleine Lichter im Dunkeln sind. Zarter Folk, zerbrechliche Melodien, große Melancholie. Dass Halstead das auch alleine kann, hat er bereits vor zehn Jahren mit dem zaghaften "Sleeping on roads" unter Beweis gestellt. Sein drittes Soloalbum "Palindrome hunches" macht dort weiter. Nur ein wenig schwächer.
Es geht um die Ausdrucksmöglichkeiten einer Akustikgitarre in all ihren Variationen. Fingerpicking, Flatpicking, Hybridpicking. Halstead kennt sich mit diesen Spieltechniken aus, und damit die elf Songs von "Palindrome hunches" nicht ganz so eintönig daherkommen, klemmt er eine Fidel in die Songs, spielt behutsame Noten auf dem Piano dazu und greift in seltenen Fällen sogar auf leise Percussion-Rhythmen zurück. Das ist gefällig, sanft, zart, weich, flauschig, anschmiegsam. Aber auch schmalzig. Immerhin versteht Halstead etwas vom Arrangieren, womit er sich aus der Kitsch-Falle rettet.
Der kürzeste Song dieses Albums ist das Titelstück, das eine kleine Melodieschleife spinnt, die unweigerlich an das totgespielte "Hallelujah" vom Großmeister der leisen Töne erinnert. Trotzdem würde auch Leonard Cohen seine alten Daumen in die Luft strecken für dieses kleine, verspielte Liebeslied, das das Herz berührt. Wenn Halstead "Kensas City girl / In your Kansas City world / I miss you" singt, ist das angenehm melancholisch, ohne prätentiös zu wirken. Das anschließende "Full moon rising" funktioniert ähnlich gut: einschmeichelnde Melodie und viel Luft zum Atmen. Hierzu kann man seinen Jutebeutel mit dem Belle-&-Sebastian-Aufdruck auch als Taschentuch nutzen.
Und so wird "Palindrome hunches" zu einer kurzweiligen melancholischen Reise, vorbei an Selbstmitleid, Larmoyanz und halbleeren Rotweinflaschen. Am Ende hat man eine Packung Zigaretten geraucht, Muster in den Wolken gesucht und an die erste große Liebe gedacht. Die letzten Worte dieser Platte, die Halstead behutsam ins Mikrofon flüstert, sind erbauende: "Hey, hey, hey". Es ist ein Trost, ein freundliches Winken. Die Akustikgitarre kann nicht mehr.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Palindrome hunches
- Full moon rising
Tracklist
- Digging shelters
- Bad drugs and minor chords
- Wittgenstein's arm
- Spin the bottle
- Tied to you
- Love is a beast
- Palindrome hunches
- Full moon rising
- Sandy
- Hey daydreamer
- Loose change
Referenzen
Spotify
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