Trailerpark - Crackstreet boys 2
Trailerpark / Groove AttackVÖ: 19.10.2012
Die Raufbolde
Das Wichtigste vorweg: Bei dem vorliegenden musikalischen Erzeugnis handelt es sich um ein Boyband-Album und keineswegs um einen Label-Sampler! Das stellen Trailerpark im Interview klar und suggerieren erst mal friedlichste Harmonie. "Crackstreet boys" von 2009 machte schon eher den Eindruck eines wilden Spielplatzes für alle möglichen Stimmen auf dem frisch gegründeten Label Trailerpark - übrig geblieben ist ein beinharter Kern aus Basti, Sudden, Timi Hendrix und neuerdings auch Alligatoah. Mit der Harmonie ist es dann aber nicht weit her: Neben prolligen Dicke-Hose-Beats setzen Trailerpark auf Schrammelgitarren und Brostep-Gemetzel - eine vollkommen inhomogene Mischung, die aber herrlich zur Message des Albums passt.
Es gilt - mal wieder - sämtliche Klischees prolligen Hirnlos-Deutschraps zu bedienen, zu überzeichnen und mit Fingerspitzengefühlt ins Lächerliche zu ziehen. Eine Praxis, die K.I.Z. etabliert und zur Perfektion geführt haben - schwierig, da mitzuziehen. Denn auch wenn die vier Herren das möglicherweise gar nicht beabsichtigen, drängt sich der K.I.Z.-Vergleich auf wie leichtbekleidete Damen auf einem Trailerpark-Konzert. Die ganze Attitüde erinnert deutlich an die Kannibalen in Zivil, und dass diese beiden Boygroups tatsächlich hervorragend harmonieren können, zeigt "U-Bahn Schläger", das mit K.I.Z.-Feature eines der Highlights auf "Crackstreet boys 2" abgibt.
Während sich die vier Rapper mit "ein bisschen Ei-Liner, ein bisschen Gliedschatten" verschönern, sterben Kindersoldaten in der dritten Welt - wen juckt's, fragen sie sich befremdlicherweise und skandieren, es sei ihnen "Immer noch egal". Schließlich sind auch wir Deutschen nicht verschont geblieben: "Mann, wir litten auch unter dem Krieg / Denn mein Opa ist gefallen / Und verstauchte sich das Knie." Solch bitterböse Sarkasmus-Schwergewichte funktionieren, weil Trailerpark sie ohne mit der Wimper zu zucken gnadenlos durchziehen. Der Rüpelhumor kommt ebenfalls nicht zu kurz: "Nothammer ins Gesicht / Hör' mal, wer da hämmert / Ich kenn dich noch nicht lang / Doch du hast dich ganz schön verändert." Und zumindest ein Track soll dem Albumtitel auch musikalisch gerecht werden: "Pokémonkarten" ist nicht ganz Backstreet Boys, aber doch gefährlich nah dran. Abgesehen vom Text, versteht sich.
Menschen verachten, Drogen verherrlichen - wenn doch nur alles so einfach wäre! Aber Ohrwürmer können die Boys auch: die ordentlich poppige Hook von "Fledermausland" geht so schnell ins Ohr wie der goldene Schuss ins Blut und ist dort ähnlich schwer wieder zu entfernen. Dennoch: "Jetzt bin ich gezeichneter als Marvel-Comics" trifft nach dem Genuss von "Crackstreet boys 2" vielleicht nicht ganz zu. Das Album hat Längen, und Trailerpark-Humor kann durchaus eine abschreckende Wirkung haben. Dafür steht der Spaß in der Wohnwagensiedlung deutlich im Vordergrund, und irgendwie hat es auch etwas Entspanntes, dass hier wirklich niemand ein Blatt vor den Mund nimmt. Willkommen im Fledermausland.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Fledermausland
- Fahrerflucht
- U-Bahn Schläger (feat. K.I.Z. & Massimo)
Tracklist
- Wall of meth
- Fledermausland
- New kids on the Blech
- Superstars
- Schlechter Tag
- Pokémonkarten
- Selbstbefriedigung
- Fahrerflucht
- Oer-Erkenschwick
- Alles für ein Shirt
- Immer noch egal
- U-Bahn Schläger (feat. K.I.Z. & Massimo)
- Rolf (feat. Dana)
Referenzen