
Calvin Harris - 18 months
Columbia / SonyVÖ: 26.10.2012
Raus aus der Nummer
Eins muss man Calvin Harris lassen: Er weiß sich ins rechte (Zwie-)Licht zu rücken. Zwar war sein nicht eben bescheiden benanntes Debüt "I created disco" bestenfalls ein laues Lüftchen, dennoch sorgte der Retro-Electro-Klopfer "Acceptable in the 80s" für einen der ganz wenigen Aktivposten in Heidi Klums Casting-Moloch "Germany’s Next Topmodel". Auch beim Nachfolger "Ready for the weekend" tendierte der Hörer zur Milde: An Tagen, wo die Feierei im Vordergrund steht, lässt man sich eben weitaus klagloser im Grunde nichtigen Unfug vorsingen. Beziehungsweise vorblubbern, sofern es um Elektronik geht. Denn es bleibt immer noch die Hoffnung, dass beim nächsten Lied alles besser wird. Richtig gelesen: Lied. Schon der Vorgänger probte schließlich zögerliche Schritte Richtung songorientiertes Material.
Auf "18 months" geht Harris nun vollends aufs Ganze und hat sein Studio mit renommierten Gästen vollgeladen, denen er vermutlich noch einmal sein erstes Album vorgespielt und so das "Merrymaking at my place" schmackhaft gemacht hat. Das Cover zeigt diesmal statt des üblichen Portaits mit überdimensioniertem Bling-Bling-Kassengestell den Künstler selbst - vor einer frisch hochgezogenen Mauer. Und vielleicht ist es ja die, vor die man immer wieder mit dem Kopf rennen möchte, nachdem man Zeuge wurde, wie fahrlässig und beliebig Harris hier reihenweise vielversprechende Features auf ganzer Linie versaubeutelt. Dabei ist zunächst gar nichts dagegen zu sagen, wenn der Schotte mit bekannten Vokalisten in die Großraumdisco geht, um dem dort vorherrschenden Tanzmampf eine Portion Substanz zu verpassen.
Doch derartige Bemühungen nützen wenig, wenn das Potenzial der Beteiligten gnadenlos plattgewalzt wird. "Bounce" etwa nervt gleich zu Anfang mit strunzdoofem Vocal-Loop, mühsam durch Klöppel-Filter kaschierter Stumpftrance-Sequenz und Autotune bis zum Kurzschluss. Dazu beteuert Kelis: "When the weekend comes / I know I feel alive" - hofft aber insgeheim wahrscheinlich, möglichst schnell aus dieser missglückten Nummer herauszukommen. Rihanna und Ellie Goulding sind zwei weitere Namen, die aufhorchen lassen, aber lediglich Etikettenschwindel betreiben: Sowohl "We found love" als auch "I need your love" wurden kurzerhand von den jeweils aktuellen Platten der Damen auf "18 months" verpflanzt, wobei die Songs schon in ihrer ursprünglichen Umgebung nicht gerade zu den Highlights gehörten. Und auch sonst gibt dieses Album nicht viel her.
Da feiert "We'll be coming back" unter Mithilfe von Gesinnungsgenosse Example pseudo-euphorischen Hüpf-Dance und irrt Florence Welch in "Sweet nothing" orientierungslos durch gepitchte Sequenzen. Nur gelegentlich wagt Harris Knarz-Beats, Schweinegitarren-Soli und elektronisches Gebrutzel und beweist bei "Drinking from the bottle" sogar ein einziges Mal Selbstironie, indem er sich von Rapper Tinie Tempah die Zeilen "I'm in it busy looking for the next top model / Who's wearing something new and something old and something borrowed" gefallen lässt. Ein kleiner, tumultöser Höhepunkt, bevor die technoide Belanglosigkeit "18 months" endgültig den Garaus macht. Auch der Rezensent ist dann mal raus: Nichts wie ab zur Eighties-Party. Auf der warten nämlich hoffentlich wenig Features und viele gute Songs. Wie sich die Bilder nicht gleichen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Drinking from the bottle (feat. Tinie Tempah)
Tracklist
- Green valley
- Bounce (feat. Kelis)
- Feel so close
- We found love (feat. Rihanna)
- We'll be coming back (feat. Example)
- Mansion
- Iron (w/ Nicky Romero)
- I need your love (feat. Ellie Goulding)
- Drinking from the bottle (feat. Tinie Tempah)
- Sweet nothing (feat. Florence Welch)
- School
- Here 2 China (w/ Dillon Francis feat. Dizzee Rascal)
- Let's go (feat. Ne-Yo)
- Awooga
- Thinking about you (feat. Ayah Marar)
Referenzen
Spotify
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