The Daredevil Christopher Wright - The nature of things

Almost Musique / Broken Silence
VÖ: 12.10.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Die Annojetztinspes

Was war, was ist, was sein wird - von sämtlichen Musikstilen, die ein Appendix im Namen tragen, wird im Grunde eine Antwort auf genau diese Fragen erwartet. Allerdings löst keines von diesen die Aufgabe derart selbstverständlich wie seit Jahr und Tag dieses kleine süße Biest mit Namen Freak Folk. Woran auch immer es liegen mag, aber ausgerechnet hier sind weder Zitat noch Ironie als augenzwinkernde Distanzierung vonnöten. Und auch eine Anbiederung an die weitaus größeren Biester mit Namen Pop und Rock hält sich im Grunde in Grenzen. Stattdessen geschieht all das scheinbar automatisch, wenn das Genre und ihre Protagonisten nur in der richtigen Stimmung sind. The Daredevil Christopher Wright sind seit einigen Jahren genau das. Weder Aushängeschilder noch Schmolllippenzieher. Stattdessen: eine Band voller Selbstverständnis im Früher, Jetzt, Demnächst (vielleicht).

Dabei ist "The nature of things" durchaus ein geerdeteres Album als sein Vorgänger "In deference to a broken back". Da mögen "Blood brother" oder "Church" noch so lange auf imaginären Kingsize-Hundefutterdosen perkussieren, Flöten von schräg links durch den Takt taumeln und die Stimmen zwischen Beach-Boys- und White-Trash-Falsett kaprizieren - letztlich bestimmen Gitarren-Pickings und Vierviertel den Lauf dieses Albums. Gleich im Opener perlt es vom Sechssaiter wie zu einem Sommeregen über den Mittleren Westen. Ein einsamer Shaker macht Stimmung dazu, und The Daredevil Christopher Wright finden: "Woke up this morning / I thought I'd been transformed / My body turned to seed / Grew up a wheat field hewn about the knee / And that's all I'd ever be." Ja, das ist der Masterplan für "The nature of things". Die Platte wächst und wächst, doch behutsam und stets ebenso in der Zeit verschoben wie zurückversetzt.

"Andrew the wanderer" schiebt ein wunderbar halbresonierendes 1950ies-Riff durch ein leicht geshuffelten Balladenrhythmus, und The Daredevil Christopher Wright singen dazu derart grundentspannt, dass das Herz tief drinnen mitschunkelt, während der Rest des Körpers bloß nicht stören will. Zu "Ames, IA" flirren diese Stimmen zu einem elegischen Trauer-A-Capella zusammen, begleitet von nur ein paar schüchtern gestrichenen Gitarren-Akkorden. Einmal mehr versprühen The Daredevil Christopher Wright hier eher die Ahnung von großer uramerikanischer Mythologie statt sich plump mitten in sie hinein zu setzen. Auf eben diese Weise schimmert es auch über die "San Francisco Bay": ein großer Popsong im Grunde, der jedoch ganz sachte von Klavier, Akustikgitarre, ein wenig Schlagzeugrollen und periodisch aufbrandenden Basstönen vorangeschaukelt wird.

Vor allem aber sind diese Songs Bilderproduzenten. Sie berichten von einem Amerika, wie es sich in jahrzehntelanger kulturindustrieller Kleinarbeit in die Gedanken der halben Welt gepflanzt hat: kummervoll, sehnsüchtig, aber auch spielerisch und in knisterndem Blaugrau. Doch wenn es zum Square-Dance-Stampfen von "Pale rider" durch die Stimmbänder hallt und falsettiert statt zu grummeln oder näselnd zur Vaterlandsliebe aufzurufen, weiß jeder, dass es hier zwar nach wie vor um den amerikanischen Traum geht, genau dieser aber weder damals, noch heute oder in Zukunft eine wirkliche Option war/ist/sein wird. Jedenfalls nicht für The Daredevil Christopher Wright - diese kleinen süßen Biester des Freak Folk.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • I & thou
  • Blood brother
  • Andrew the wanderer
  • San Francisco Bay

Tracklist

  1. I & thou
  2. Divorce
  3. Blood brother
  4. We fold inside of us
  5. Church
  6. Andrew the wanderer
  7. Ames, Ia
  8. San Francisco Bay
  9. Pale horse, pale rider
  10. The birds of the air and the flowers of the field
  11. The animal of choice
Gesamtspielzeit: 40:43 min

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