Captain Planet - Treibeis

Zeitstrafe / Cargo
VÖ: 12.10.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Bitte festhalten

Treibeis ist von Natur aus flüchtig. Es ist Eis, das in Form von Schollen oder Stücken zum Beispiel aus Eisbergen bricht - und dann von der Strömung aufs offene Meer getragen wird. Treibeis ist rastlos und heimatlos, unberechenbar und bisweilen für Menschen gefährlich: 2002 konnte das deutsche Forschungsschiff "Magdalena Oldendorff" nicht mehr aus der Arktis weg - ein Treibeisfeld hielt es monatelang dort fest, nichts geht mehr, rien ne va plus. Captain Planet sind eine Punkband aus Hamburg. Ihre neue Platte nennen sie genau so: "Treibeis". Und es ist unschwer zu überhören, warum sie das tun.

"Viva allein!" Gut zweihundert Sekunden lang haben Captain Planet angekämpft, hat ihr Sänger Jan Arne von Twistern sich aus Momentaufnahmen einen Songtext skizziert, hat eine Bassgitarre gestampft und ein Schlagzeug den Song in saubere Achtelteile zerlegt. Achtel, die weiter wollen, weiter müssen, sich treiben lassen. Irgendwohin, nirgendwohin, hauptsache woandershin. Dann ziehen Captain Planet ihr Schlussfazit, schon nach dem ersten Song auf "Treibeis": "Viva allein!", skandieren sie. Zwischen den flüchtig angerissenen Bildern um "Dein Bett" und "ihr Kissen" bleibt irgendwie offen, was damit genau gemeint ist. Was klarer ist: Dass sich Captain Planet wieder als Kronprinzen einer Vorgänger-Generation an Punkrockbands definieren, die erst über den Kopf in Bauch und Beine will.

Die schräg angeschlagenen Saiten in "Pyro" haben sich Captain Planet bei Turbostaat und Dackelblut entlehnt. So wie in "Aus alt mach neu" hat schon Jens Rachut in diversen Bands Alltagsbeobachtungen zu Songs umfunktioniert. Und überhaupt hat "Treibeis" genau die melancholische Schlagseite, die einen immer ein bisschen daran erinnert, wie lange man schon keine Platte mehr von ...But Alive aufgelegt hat. Das ist keine Anschuldigung, das ist ein Kompliment für Geschmack, der so treffsicher wie ein direkt ausgeführter Freistoß von Rafael van der Vaart ist. Und wie auch Captain Planet wissen: die beste Hamburger Schule, durch die man überhaupt durch kann.

Kaum ein einziger der meist Zwei- bis Dreiminüter auf "Treibeis" steht mal still, pustet durch, schaut sich mal für ein paar Sekunden um. Diese Platte hat die Hummeln achtern. Das Schlagzeug, das in Takt eins begann, Songs in saubere Achtelteile zu zerlegen, wird dies bis zum Ende tun. Von Twistern versucht von Anfang bis zum Schluss, Momente einzufangen, um daran bisweilen grandios zu scheitern. Immer wieder gleiten sie ihm aus den Händen, sind schneller wieder weg, als sie ihm ins Gedächtnis gekommen sind. Sie sind wie aus einer Mindmap geplumpst, erzählen Stimmungen statt Märchen, provozieren Stirnrunzeln statt Schlagergesängen: "Was andere sagen findest Du falsch / Das Prinzip ist Licht an Deinem Auto." Um Captain Planets Willen: Haltet "Treibeis" fest, solange es noch geht.

(Sven Cadario)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Pyro
  • Nest
  • Gehwegflattern

Tracklist

  1. Pyro
  2. Sand in den Augen
  3. Nest
  4. Spielplatz
  5. Stichling
  6. Auf Kleber
  7. Land unter
  8. Aus alt mach neu
  9. Nationalpark
  10. Spinne
  11. Gehwegflattern
Gesamtspielzeit: 30:03 min

Im Forum kommentieren

Delirium

2014-03-31 16:20:37

Konnte leider nicht los. Zum Trost hab ich mir hinterher einige überschwängliche Schwärmereien angehört. Es ist ja immer schön, wenn die Anderen begeistert sind.

eric

2014-03-31 15:25:49

Der Auftritt Ende März im "Bei Chez Heinz" - ebenfalls mit Love A - ist auf jeden Fall gebucht.

War hoffentlich ähnlich gut wie Samstag im Elfer/FFM?

rainy april day

2013-11-23 13:20:30

Ich prophezeie: Das wirst du nicht bereuen. In Köln war aber auch das Publikum fantastisch, es hat der Band sichtlich Spaß gemacht.

Absoluter Top-Favorit vom Album ist mittlerweile Spinne.

Wir haben dich gestern abend ausgesetzt
kein Platz in unserem Leben
dir gleitet alles aus der Hand, machs gut!

tolle Texte, insgesamt.

Delirium

2013-11-22 10:39:13

Pyro war eines meiner absoluten Lieblingslieder letztes Jahr. Und auch wenn mir die übereindringlich vorgetragene Ratlosigkeit übers ganze Album meist irgendwann zu viel wird, ist "Treibeis" bislang nie von meinem Player geflogen. Der Auftritt Ende März im "Bei Chez Heinz" - ebenfalls mit Love A - ist auf jeden Fall gebucht.

eric

2013-11-22 10:02:14

Mein Album des Jahres 2012, immer noch. Dieses Jahr zweimal gesehen. In Hamburg war's gut, im Wiesbadener Schlachhof fast noch besser. Hatte mir das AngryPopFest in Düsseldorf auch überlegt, gerade wegen Love A, aber ich werd's wohl nicht schaffen an diesem Samstag.

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