
Caspian - Waking season
Make My Day / Al!veVÖ: 21.09.2012
Besser als ihr Ruf
Die Frage, wann Musik eigentlich gute Musik ist, wird minütlich hier diskutiert. Wann aber ist ein Text über Musik ein guter Text? Meist ist es fraglos leichter, einen hervorragenden Text über extrem miese Musik zu schreiben. Oder über wahrlich exzellente, die leider nur allzu selten den Weg zur Schreiberin findet. Wohl keine Musikrichtung ist davon so betroffen wie der Postrock. Es gibt nur sehr wenige richtig beschissene Alben aus diesem Sektor - und ähnlich wenige echte Perlen. Mittelprächtige Musik bekommt fast folgerichtig Tag für Tag mittelprächtige Texte auf den Leib geschrieben.
So, wie die Bandnamen nach Sonne, Mond, Sternen und vor allem dem Ozean zu klingen haben, so mäandert es in den Texten - es fließt, es walzt, es strahlt, es scheint. Und die Menschen daneben, sie kauern, liegen, grübeln, stolpern, fallen. Gitarren werden lyrisch, Verstärkerröhren glühen und Tische fangen zu tanzen an. Ist klar. Wer aber einmal die rundum unterschätzten Caspian gehört und vor allem auf der Bühne gesehen hat, der kommt zum Urteil: So hilflos unsereins auch davorsteht mit dem Füller in der Hand, es ist die Instant-Musikschreiber-Sprache, die stagniert, nicht (nur) der Postrock.
So scheint es erst mal geboten, zu sagen, was Caspian eben nicht sind. Das kommt der Strahlkraft ihres neuen Albums "Waking seasons" auch deutlich näher. Caspian machen nämlich wenig anders, aber alles besser. Es ist, als wären sie die einzigen Postrocker ohne Marotten: Sie sind wie Mono ohne Säuselei, Mogwai ohne "The hawk is howling" und Godspeed You! Black Emperor ohne Unpünktlichkeit. Gottseidank verschleppen auch sie zwar mal einen allzu naheliegenden Ausbruch und spannen auf die Folter wie im Einstiegstrack "Waking season", das sich nach dem Trommelwirbel dann doch zu schade ist für die Gitarrenwand. Das macht dann den Kollaps im kantigen "Halls of the summer" aber auch umso eindringlicher.
Das dronige "High lonesome" baut Brücken zum euphorischen "Hickory ‘54", das mit einer Basslinie aufläuft, an der auch U2 ihre helle Freude gehabt hätten. Caspian wirken ein wenig wie die launigen Naturtalente, denen all das hier locker von der Hand geht. Keine Spur von belastender Gefühligkeit oder lähmender Verkopftheit, wie bei einigen in ihrer Nachbarschaft. Caspian verkörpern wie keine zweite Band, warum es nicht Antirock heißt. Sie scheitern zwar – mal wieder – knapp am ganz großen Album, weil die Riesensongs fehlen, die "Tertia" mit "Malacoda" und "Sycamore" wohl noch hatte. Aber alles ist gut. Mindestens.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Gone in bloom and bough
- Halls of the summer
- Hickory '54
Tracklist
- Waking season
- Procellous
- Gone in bloom and bough
- Halls of the summer
- Akiko
- High lonesome
- Hickory '54
- Long the Desert Mile
- Collider in blue
- Fire made flesh
Referenzen
Spotify
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