Mumford & Sons - Babel
Island / Cooperative / UniversalVÖ: 21.09.2012
Die Band fürs Leben
Der Sommer 2012 erlebte die Sinnbilder einer kaum für möglich gehaltenen Ehe. Sie sind noch recht frisch, und auch die dazugehörigen YouTube-Videos sind noch nicht in Richtung Sepia-Tönung verblasst, wie es mit alten Schnappschüssen gerne passiert. Auf einer Momentaufnahme aus der Totalen ist ein Festivalpublikum zu sehen, hunderte, tausende von Menschen. Jetzt, ja jetzt, leuchten ihre Augen wie Polarsterne. Dabei waren dieselben Menschen nicht allzu lange davor noch am Bangen, ob es überhaupt etwas zum Leuchten geben würde. Mumford & Sons hatten einige Wochen vor dem Festival S.O.S. Gesendet, hatten auf einer ihrer Ochsentouren durch aller Herren Länder plus White House zwei Festivals abgesagt. Einfach so. Es war mitgefühlt so, als hätte ein sichtlich mitgenommener Renngaul in der hundertachten Runde dann doch mal Pause gemacht und wäre an die Pferdetränke getrottet, um nachzutanken. Jedenfalls: Sänger Marcus Mumford hatte sich die Hand gebrochen – würden Mumford & Sons die Hurricane- und Southside-Festivals spielen, die einige Tage später stattfanden? Sie spielten. Mit neuer Gipshand und durch altbekannte Pausbäckchen trötete Mumford seine Zeilen für ein Publikum, das nicht viele dem urwüchsigen Banjo-Folk seiner Band vor etwa drei Jahren zugetraut hätten. Seitdem Mumford & Sons via dem Betriebsunfall namens "Sigh no more" den Mainstream geknackt hatten, waren sie unterwegs. Fast zwangspausenlos. Fast – siehe weiter oben. Kein Wunder, dass "Babel" ein Roadtrip von einem Nachfolgealbum geworden ist. Heimwehblues inklusive.
Drei, viermal hat Marcus Mumford es schon genau so gesungen. Er wird es gleich wieder tun. Achtung, da ist er: "So give me hope in the darkness / that I will see the light". Dazu lassen Mumford & Sons behutsame Schmuseblues-Pickings fahren, die einem die Tränen in die Augen treiben. Es ist das Klagelied des einsamen Banjoboys und der vielleicht schönste Moment, den Mumford & Sons auf "Babel" in petto haben. Es ist ein für die Platte typischerer Moment als das vielgegoogelte "I will wait" - einem Banjo-Stresstest mit so viel Verve, dass jemand die Band für die nächste Ochsentour unbedingt an ihren Notfallkoffer mit den Ersatzsaiten erinnern sollte. Es könnte sonst eng werden.
Das Gros von "Babel" hält sich viel weiter zurück. Bevor sich "Not with haste" zur Halbzeit in eine trunkene Hymne steigert, ist es mit seinen schüchternen Klavierakkorden im Hintergrund kaum als Stimmungsmacher vorstellbar; im liebeskranken "Reminder" werden die Horden von Fans Mumford & Sons lieber in die Arme nehmen, statt sie auf ihre Schultern zu laden. Selbst die Dunkel-Hell-Metaphern, die sich Marcus Mumford aus seinem Unterbewusstsein fischt, dürften eine andere Ursache gehabt haben als der Entstehungsort der Platte. So ließen Mumford & Songs es nämlich verlauten: "Babel" sei während jenen Touren entstanden, wo auch sonst. Ein Album ausschließlich voller in der Fremde gejauchzter Heimatlieder ist es nicht geworden. Auch wenn einige Stücke so klingen, wie weit weg von daheim geschriebene Songs übers Zuhause eben klingen: wehmütig wie ein unglücklich Verliebter. Welten entfernt vom Glück, und kein Rettungsanker weit und breit.
Um ein komplettes Album Trübsal zu blasen, sind Mumford & Sons zu nett, oder besser: zu gut. Vor allem darin, wie etwa in "Whispers in the dark", scheinbar fliegengewichtige Melodien in millionenschwere Hits zu verzaubern – obwohl das kaum ihre Absicht gewesen sein kann. "Sleeper hit", so nannte die internationale Musikpresse ihr Debütalbum "Sigh no more". Das sollte trotz der aufgeregt unaufgeregten Musik von Mumford & Sons kein Empfehlungssticker für Narkolepsie-Patienten sein. Sondern Kompliment und Verwunderung in einem ausdrücken. "Sigh no more" kannten anfangs Plattentests.de-Abonennten und ihre Anverwandten – zwei Millionen verkaufte Platten später bezauberte Marcus Mumford die First Lady der Vereinigten Staaten plus Göttergatten in deren Allerheiligstem: dem Weißen Haus. Der Mainstream und Mumford & Sons - eine merkwürdige Ehe. Scheidung vorerst nicht in Sicht.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Whispers in the dark
- I will wait
- Lover of the light
Tracklist
- Babel
- Whispers in the dark
- I will wait
- Holland road
- Ghosts that we knew
- Lover of the light
- Lover's eyes
- Reminder
- Hopeless wanderer
- Broken crown
- Below my feet
- Not with haste
Im Forum kommentieren
Derp Derp
2014-01-18 14:12:54
meine Güte wie verbohrt kann man eigentlich sein?
wenn es jemanden nicht gefällt dann hört man es schlicht und einfach nicht, warum man da dann gleich einen Hass bekommen muss ist mir schleierhaft? oder verfolgt euch diese Musik?
ich geh doch auch nicht einen Metal Fred und reg mich auf wie absolut sinnlos ich solche Musik finde...
Unnerum
2014-01-17 23:28:08
Hass bekomme ich eigentlich nur bei Of-Monsters-and-men-Songs wie "Ho hey" von den Lumineers
Da kann ich nur zustimmen. Ekelhaft dieses Gesülze... "Oh oh" oder "Hey hey" wie man es auch mittlerweile bei vielen "Künstlern" aus der Sparte raushört. Das soll doch nur von der Substanzlosigekt der Songs ablenken. Hauptsache man kann es mitsingen/jubeln/grölen... Und dann noch Album der Woche...
Naja Plattentests eben, im "Stammuserthread" kann man ja auch rauslesen, dass viele dem schon überdrüssig geworden sind, weil die Seite sich ja fast nur noch Trends anbiedert.
Verfälschtes Zitat
2014-01-17 16:36:11
"Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Hass ihr dienstbar zur Hand geht." (Thomas von Aquin)
Die göttliche Regine
2014-01-17 16:23:09
Sind ganz klar von Arcade Fire beeinflusst worden. Daher: kein Hass
nörtz
2014-01-17 16:05:54
Hass entsteht nicht aus dem Nichts. Hass kommt auf, wenn tiefe und lang andauernde Verletzungen nicht abgewehrt und bestraft werden können. Hass ist somit eine Kombination aus Vernunft und Gefühl. Die Vernunft ruft nach dem Ende der Verletzung und nach einer Bestrafung des Quälenden. Das Gefühl des Hassenden ist das des Ausgeliefertseins, der Gefangenschaft, der Wehrlosigkeit.
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