Wintersleep - Hello hum

Affairs Of The Heart / Indigo
VÖ: 21.09.2012
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Verschwindibusse

Vier Alben hinter sich, doch kein Ankerplatz in Sicht: Es ist (erneut) etwas sehr anders auf Wintersleeps neuem Album "Hello hum". Das Seltsame daran: Die Riffs, die Melancholie, ja selbst die unterschwellige Alternative-Wut - sie sind alle im Grunde noch zugegen. Allerdings werden sie im Arrangement ebenso behände wie tendenziös aus dem Fokus gedrängt. Bedenkt man, dass bereits der Vorgänger "New inheritors" lieber sublimierte statt Fäden weiterzuspinnen, so scheinen Wintersleep in der Tat immer mehr zu einer ziemlich verzagten Band zu werden. Und was tut eine Truppe, die es eigentlich im Blut hat, zu riffen, zu melancholisieren und seicht zu wüten, all das aber vielleicht womöglich eventuell gar nicht so wirklich will? Genau - sie eiert rum. Um den Heimathafen, auf hoher See. Oder auch um eine einzige Knöpfchendreher-Frequenz.

"Hum" beginnt derart breit gebratzt, dass der Hörer sich fragt, ob er nicht doch aus Versehen die letzte Trans-Am-Platte aufgelegt hat oder die Kohlsuppendiät besser wieder absetzen sollte. Nach und nach schlingen sich jedoch Schlagzeug-Schluckauf, angedeutete und sich klärende Melodien, Gitarren, schließlich ein Klavier und Paul Murphys elegische Stimme um die Bauchkitzler-Noten. Einmal übermannt, entschwinden diese schließlich zu einem Gravitationskern, um den sich Wintersleep in ihr neues Album drehen. Eine starke Geste also, gleich zu Beginn - leider aber auch ein Spannungsabfall in der Folge.

"In came the flood" tanzt noch intuitiv zwischen Uptempo-Gitarren-Pop und Songaufbauten fernab des Radio-Formats. "Nothing is anything (without you)" bedient den Folkpop-Mitklatsch-Takt zielsicher, aufgeräumt und doch kongenial verspult. Und auch die folgenden Stücke spielen ein interessantes Spiel zwischen rhythmischer Verflüssigung und einem scheu durch die Arrangements gehauchten Pop-Appeal. Dennoch bleibt beim Hörer schlussendlich doch eher die Ahnung hängen, dass er sich besser am Mobiliar festzurren sollte, um von dieser Musik nicht ins Gummiknochen-Land davongetragen zu werden.

So richtig zum Eiern gebracht haben Wintersleep vor allem ihre Gitarrenarbeit - unter gütiger Mithilfe ihrer Produzenten David Friedman und Tony Doogan. Die sollten zwar wissen, wann und wie man zickt, um anschließend ordentlich auszuschunkeln, auf "Hello hum" schicken sie jedoch einfach allerlei Fußpedal-Trallala durch im Grunde wertkonservative Riffs - aber nicht, um auch mal anzudicken, sondern um immer weiter und weiter zu kondensieren. Im Ergebnis schlagen die Sechssaiter kaum einen Takt vollmundig mit. Da zugleich aber kein anderes Instrument nach vorne geschickt wird, vermitteln Songs wie "Permanent sigh", "Saving song" und vor allem der im Effektwahn hühnerbrüstig versemmelte Schlussakt von "Resuscitate" den Eindruck einer gut durchgedampften Waschküche: riecht gut, klingt auch gut irgendwo hinter dem Soundschleier. Dennoch kommt man irgendwie nur tastend voran.

Doch natürlich ist es letztlich dem Willen des Hörers überlassen, etwas genauer hinzuhören und den Klangnebel zu lichten. Klingt der Weichzeichner-Hall von "Unzipper" und "Rapture" zunächst nach verschenkten Midtempo-Rockern, so kann man sich doch von Murphys Gesang in die Songs tragen lassen. Und auch sonst steckt in "Hello hum" hörbar eine Menge Arbeit sowie die eine oder andere clevere Idee - nur eben wenig Entschlossenheit. Selbst abgeschafft haben sich Wintersleep somit längst noch nicht. Allerdings kultivieren sie eine höchst eigenwillige Kunst des Verschwindens. Ob das ein sicherer Hafen ist, den es anzusteuern lohnt? Wohl eher nicht.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hum
  • In came the flood
  • Rapture

Tracklist

  1. Hum
  2. In came the flood
  3. Nothing is anything (without you)
  4. Resuscitate
  5. Permanent sigh
  6. Saving song
  7. Rapture
  8. Unzipper
  9. Someone, somewhere
  10. Zones
  11. Smoke
Gesamtspielzeit: 45:46 min

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