Propagandhi - Failed states
Epitaph / IndigoVÖ: 07.09.2012
Ein bisschen Krieg
Wer lange genug suchte, konnte ein bisschen Krieg finden. Viel war es nicht: Ein paar Verschwörungstheorien wurden über Pseudonyme unter Newsmeldungen gesetzt, Vorwürfe geblökt, Platten zu Restemüll verarbeitet. Der Grund: Propagandhi hatten bei Epitaph unterschrieben und angekündigt, ihre nächste Platte dort zu veröffentlichen. Epitaph sind ein Label, das seit geraumer Zeit widerborstige Converge- und John.-K.-Samson-Alben unter anderem mit den Erlösen aus zielgruppengerecht komponiertem Emopop, Poppunk und Metalcore querfinanziert. Ausgerechnet Propaghandi - eine Punkband, die so selbstbestimmt agiert, dass sie bis kurz vor dem Deal mit Epitaph überlegte, die vorliegende Platte "Failed states" über Crowdfunding zu finanzieren und selbst zu veröffentlichen. Kaum auszudenken, sollte "Failed states" statt eines handverlesenen Kreises Eingeweihter demnächst versehentlich Jugendzimmer erreichen, in denen Teenager zu New Found Glory rumfummeln. Das riecht nach mehr Krieg - und mehr Restmüll. Und das hat vor allem mit dieser Platte, mit "Failed states", zu tun.
Manch SPD-Wähler wird "Failed states" für Teufelszeug halten, Propagandhi bei der Zensurbehörde einreichen wollen und die Welt nicht mehr verstehen: Das Album folgt keinen Regeln, es hinterfragt Machtverhältnisse, es nimmt Schmutzwörter in den Mund und wird sebst dann nicht rot dabei. Ja, "Failed states" ist eigentlich unerhört. Statt brav den Backkatalog an Punkrock-Akkordfolgen runterzubeten, schießen Propagandhi mit Songs quer. Mit verzogenen Nummern, die sich nie entscheiden können, welche Band-Vorlieben sie in welchem Takt und Song gerade ansteuern wollen: die bollernden Thrash-Metal-Gitarren aus "Rattan cane"? Das Streetpunk-Schlagzeug, das den Titelsong von Zeile zu Zeile hetzt? Die Dagegen-Lyrics von Chris Hannah? Oder etwa die Takte, Tempi und Songideen in "Cognitive suicide", die Propagandhi gerne übereinander schachteln wie ihre Landsleute von Rush Gitarrenspuren? Alles kann, nichts muss - nur knallen. Und zwar reichlich.
Selten ist "Failed states" dabei so zutraulich wie die eingängigen Songs auf der Vorgängerplatte "Supporting caste". Der vorhin bereits erwähnte Titeltrack braucht mehr als eine Minute, um für ein paar Sekunden zur Ruhe zu kommen - um ein bockiges Riff später einfach Schluss zu machen. In neuer Hochwut ist Propagandhi jedes Feindbild nur recht: Politiker, die auf dieser Platte wie Zirkusattraktionen von einem Protestlied zum nächsten geschleppt werden; oder gleichgültige Mitmenschen, die der Aktivist Chris Hannah in "Dark matters" in Parallelwelten wähnt, die er durchrütteln und zur kritischen Masse umformen und -schreien möchte; vielleicht ja auch die Konsum-Jugend mit ihrer wahllosen Sammlung von schlechten Emo- und Metalcore-Platten aus dem Kinderzimmer, die Propagandhi mit einer Thrash-Granate wie "Status update" ganz sicher etwas verstören dürften. So oder so: Ganz ohne Krieg geht nicht. Ganz ohne Propagandhi erst recht nicht.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Failed states
- Unscripted moment
- Duplicate keys icaro (An interim report)
Tracklist
- Note to self
- Failed states
- Devil's creek
- Rattan cane
- Hadron collision
- Status update
- Cognitive suicide
- Things I like
- Unscripted moment
- Dark matters
- Lotus gait
- Duplicate keys icaro (An interim report)
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P.I.Staker
2014-01-12 22:32:18
@eric
Die Supporting Caste gefällt mir auch gut, aber Failed States finde ich musikalisch interessanter. Weniger eingängig, aber interessanter.
Bewährter
2014-01-11 05:11:20
Supporting Caste 9/10
Failed States 10/10
eric
2014-01-10 22:57:53
Dann unbedingt auch nochmal "Supporting Caste" anhören. ;) Für mich eines der besten Hardcorepunk-Alben der letzten 10 Jahre! Das hier ist auch stark, aber es fehlen mir ab und an die guten Melodien.
P.I.Staker
2014-01-10 22:09:18
Ich habe die Platte kürzlich erst gehört und bin begeistert: Intelligente Texte, rohe Energie _und_ musikalisch interessante Umsetzung. Kannte ich in der Kombination bisher nicht. (Vielleicht in Ansätzen noch von Boysetsfire, aber die sind mir zu kitschig.)
Punk fehlt normalerweise der musikalische Anspruch, Rock und Metal fehlen die Texte und anderer Pop-basierter Musik fehlt die Energie. Deshalb: Hut ab. Bestes Propagandhi-Album!
Tyler
2012-10-08 09:53:13
Schade, mir sagt die Platte auch nicht zu. Ist mir, wie bereits weiter oben erwähnt, einfach zu metallisch. Hören sich teilweise sehr beliebig an. Texte sind natürlich wieder exquisit und auch das ein oder andere Riff ist sehr geil, aber mir gehts einfach zu schwer rein.
Mein Highlight ist "Unscripted moment" -9/10
Album -6/10
Den beiden Vorgängern hätte ich locker 9/10 gegeben, bei der "Todays empires.." passt die 8/10.
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