Charlie Simpson - Young pilgrim

PIAS / Rough Trade
VÖ: 10.08.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Der dritte Anlauf

Denken wir mal zehn Jahre zurück. Damals, 2002, als die Befürchtung wahr wurde und aus England wirklich etwas ganz Schlimmes auf uns zukam. Sie nannten sich Busted - drei Jungs, keiner älter als 20 Jahre, deren erste Single "What I go to school for" noch den Rotzlöffel-Poppunk-Schmonz von Avril Lavigne unterbot und trotzdem in den Charts regelrecht durch die Decke ging. Die 11-jährige Schwester dachte, dass das Rock sei und bekam beim Gedanken an die drei halben Hemden schwitzige Hände und Herzrasen. Vier Jahre später: Busted sind Geschichte, weil Drummer Charlie Simpson die ganze Kiste peinlich wurde. Gemeinsam mit ein paar anderen echten Kerlen gründete er Fightstar für alle, denen Funeral For A Friend zu soft und Alexisonfire zu hart waren. Der 17-jährige Bruder dachte, dass das die Metal-Offenbarung sei und bekam beim ersten Konzert seines Lebens schwitzige Hände und Herzrasen. Zurück in der Gegenwart: Fightstar sind Geschichte, und Charlie Simpson versucht sich als Singer-Songwriter. Schwitzige Hände und Herzrasen bekommt da kaum einer - warum eigentlich nicht?

Denn Simpson, der damals, als er sich von Busted abwandte, immer gern betonte, dass er tief im Herzen eigentlich ein Metaller ist, macht mit der Klampfe in der Hand und ein paar ruhigeren Tönen eigentlich gar keine schlechte Figur. Das Problem ist, dass dies nicht die einzige Rezension sein wird, die im Eingangsmonolog zuerst die Busted-Vergangenheit niederschmettert und anschließend auch Fightstar mit einem milden Lächeln und tröstendem Kopfnicken abtun wird. Klar fällt es da erstmal schwer, den nunmehr dritten Anlauf in der Karriere des gerade mal 27-Jährigen wirklich ernstzunehmen. Sollte man aber: Schon die erste Single und Opener "Down down down" zeugt vom durchaus vorhandenen Talent des Briten, eine wohlig-warme Popnummer, die nur mit der Akustikgitarre beginnt und sich schließlich zu einem von Streicher untermalten und Schlagzeug angetriebenen modernen Folksong mausert, der sich hören lassen kann. In "Hold on" singt Simpson zeitweise mit sich selbst um die Wette, lässt die kurz aufflackernde Erinnerung an Bon Ivers "Woods" aber schnell eine eben solche sein, während "All at once" sich eher an Kevin Devine anlehnt und damit auf ganzer Linie gewinnt.

Mit "Sundown" wagt sich Simpson in balladeske Gefilde und dringt zur gänzlichen Abwendung von seiner Fightstar-Vergangenheit vor. Eher erzählerisch wirkt sein unbeschönigter Gesang hier, und die sehr zurückhaltende Instrumentierung sorgt für den gewünschten Effekt. Stilistisch ganz anders klingt das folgende "Farmer & his gun", und bewaffnet mit Pedal-Steel-Gitarre und Mundharmonika stört der ganz klar gewünschte Country-Vibe nicht eine Sekunde - dieses Experiment hat Simpson auf der vorangegangen EP "When we were lions" auch schon ausprobiert und mittlerweile eine gewisse Technik darin entwickelt. Ein Wiedersehen mit den Streichern gibt es auch im Abschlusssong "Riverbanks", das mit leisen Pianotönen startet und im Verlauf eine emotionale Dynamik entwickelt, dass es bis zu den schwitzigen Händen und dem Herzrasen immerhin nicht mehr weit ist. Sollte Simpson nun auf seinem Weg bleiben und sich nicht wieder anders entscheiden - vielleicht hin zum Rap? -, könnte das nach einer umtriebigen Vergangenheit tatsächlich der Anfang von etwas Größerem sein, als man anfangs noch gedacht hätte.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Parachutes
  • Hold on
  • Sundown
  • If I lose it
  • Riverbanks

Tracklist

  1. Down down down
  2. Parachutes
  3. All at once
  4. Thorns
  5. Cemetery
  6. Hold on
  7. I need a friend tonight
  8. Suburbs
  9. Sundown
  10. Farmer & his gun
  11. If I lose it
  12. Riverbanks
Gesamtspielzeit: 44:59 min

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