The Ghost Inside - Get what you give
Epitaph / IndigoVÖ: 15.06.2012
Die Kettenhunde
The Ghost Inside haben ihr Klassenziel erreicht. Sie haben sich in Pose gebracht, elf stramm gespielte Metalcore-Nummern abgezählt und auf ihre neue Platte "Get what you give" gepackt. Was The Ghost Inside gegeben haben, bekamen sie auch doppelt zurück. Denn exakt diese elf stramm gespielten Metalcore-Nummern später sieht die Bilanz unterm Strich so aus, wie sie von Anfang an aussehen sollte: Ein Arsenal an Suppentellern ging in unserem Redaktions-Konferenzraum zu Bruch, ein Sanitäter flickte kaputte Radiohead-Vinyls und Verletzte zusammen. Sogar der über die Jahre handzahm gewordene Chefredakteur trägt wieder sein altes Glassjaw-T-Shirt über den Flur spazieren. Nur wer über den Strich schaut und sich die einzelnen Rechnungsposten genau anschaut, erkennt: Das alles passierte nicht immer aus den richtigen Gründen. Ein Krankenbericht über das Scheitern eines Genres, das sich selbst verzehrt hat und zum Abschuss freigegeben werden müsste - um ganz ohne Altlasten eine Chance auf einen Neustart zu haben.
The Ghost Inside hießen mal A Dying Dream. A Dying Dream gründeten sich 2006. Es war das Jahr null des deutschen Sommermärchens, es war das Jahr eins nach Kanzlerin Angela Merkel und gefühlt das Jahr zweimillionen nach Suicidal Tendencies, Earth Crisis oder später Poison The Well - jenen wagemutigen Pionieren, die Hardcore, Punk und Metal so gefährlich vermischten wie der Barkeeper einen Zombie-Cocktail. Längst hatten Nachfolgebands und findige Musikmanager aus jenem Entdeckerdrang eine Formel destilliert, die treffsicherer schien als die Baukasten-Drehbücher für Hollywood-Blockbuster im Sommerloch. Einer schrie, manchmal sang einer dazu, es polterten auf Kniehöhe tiefergelegte Wummsgitarren - und wenn auch sonst gar nichts anderes ging, ein Breakdown musste immer mit. 2012 klingen The Ghost Inside so: Einer schreit, manchmal singt einer dazu, die Gitarren sind tiefer gestimmt als manche Doom-Kapelle, und wenn gar nichts mehr geht: Ein Breakdown geht immer.
The Ghost Insides "Get what you give" ist nicht mal die beste aktuelle Metalcore-Platte. Aber sie ist Benchmark und Warnschuss zugleich: Geschlagene drei Songs dauert es, bis sich die Band aus ihrer selbst eingebrockten Schema-Hörigkeit befreit. Bis dahin weist wenig darauf hin, dass sich diese Platte später wieder öffnen wird. "This is what I know about sacrifice" ist nichts weiter als eine Intro gewordene Ausrede für Metalcore-Stereotypen, in "Outlive" bekommen The Ghost Inside bis zum Ende keinen einzigen Überraschungsmoment unter, und das große Highlight sind bis dahin genretypische Standards: Vor allem die Produktion, die knallt wie Silvesterböller, die Basstöne aufpimpt wie andere Leute Auspuffrohre und die wummst, als wäre Tinnitus ein Marketinggag der Ärztekammer.
Dann, um fünf Sekunden vor Skip, folgt der Song "Engine 45". Eine Song-Halbzeit lang weist wenig darauf hin, das sich etwas großartig ändern wird: Druckvoll spielen The Ghost Inside ihren Schuh runter, den von The Devil Wears Prada und Black Veil Prides Gepeinigte schon per se als Offenbarung empfinden müssten. Dann aber packen die Kalifornier Synthesizer aus, lassen Shouter Jonathan Vigil singen und schreiben beiden eine Melodie aufs Notenblatt, die hypnotisch wie die Zeile dazu ist: "All my life I've been searching for something / To break these chains." Es ist Album-Höhepunkt und Selbsttherapie zugleich, denn auch danach werden The Ghost Inside diese Ketten, an die sie sich selbst gefesselt haben, selten sprengen können. Stattdessen machen sie eine solide Metalcore-Platte, die andeutet, was möglich wäre - und deshalb mehr frustriert als die hoffnungslose Anti-Musik der meisten Mitstreiter.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Engine 45
- The great unknown
Tracklist
- This is what I know about sacrifice
- Outlive
- Engine 45
- Slipping away
- The great unknown
- Dark horse
- White light
- Thirty three
- Face value
- Deceiver
- Test the limits
Referenzen
Spotify
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