Christian Löffler - A forest
Ki / KompaktVÖ: 18.06.2012
Aus lauter Purpur
Bäume. Nichts als Bäume. Dunkle, verwitterte Stämme, lange Äste, Blätter, Nadeln. Und all das in tausendfacher Kopie. Christian Löffler führt den Hörer durch seinen Wald, der nichts anderes ist als ein ganz gewöhnlicher Wald. Löffler aber kennt ihn so gut wie kein anderer. Er weiß, dass kein Stamm dem anderen gleicht und keine zwei Blätter zum gleichen Rhythmus im Wind tanzen. Hier kriechen Käfer durchs Unterholz, dort singen Vögel in den Baumkronen, und wo eben noch der schwere Geruch von Harz in der Luft lag, strömt wenige Schritte weiter Erdbeerduft gen Himmel.
"A forest" entstand in einem kleinen Haus bei Usedom, umgeben von, natürlich: Wald. Nur mit einem Mikrofon bewaffnet, machte sich Löffler auf, die Umgebung seines Rückzugsortes zu erforschen und akustisch zu archivieren. Viele der dort wahrgenommenen Naturgeräusche finden sich auf seinem Debütalbum wieder. Sie untermalen und begleiten den Versuch, Eindrücke von Einsamkeit und Naturverbundenheit musikalisch festzuhalten. Und das ist das ganze Ziel. Löfflers stimmungsvolle Momentaufnahmen wollen genau so wenig auf die große Tanzfläche wie die norddeutsche Unendlichkeit sich dort wohlfühlen würde.
Man könnte also von Entspannung sprechen, doch das täte "A forest" Unrecht. Die düster-melancholische Grundstimmung der Platte bleibt zwar zu jeder Zeit zurückhaltend und leise, lässt eine gewisse unterschwellige Spannung aber nie los. Der Eröffnungs- und Titeltrack beispielsweise beginnt mit ungeordneten Synthie-Versatzstücken, die sich über leisem Blätterrascheln erst allmählich zu einer Melodie und irgendwann schließlich zu einem Beat Formen. Grundsätzlich lässt sich Löffler dabei alle Zeit, die er braucht, um seine musikalischen Geschichten ohne jede Hektik zu vollenden.
Das Geschichtenerzählen beschränkt sich auf "A forest" aber nicht ausschließlich auf das Instrumentale. In immerhin drei Stücken begleiten die Werke des aus Greifswald stammenden Löffler gesungenes oder gesprochenes Wort. Die Hamburger Sängerin Mohna, die ebenfalls auf dem von Löffler mitbegründeten Kölner Label Ki zuhause ist, pendelt in "Eleven" zwischen gesungenen Worten und einfachen Lauten hin und her, wodurch sich ihre Stimme nach einem Rundgang durch Löfflers Wald aus Effektgeräten wie ein weiteres Instrument in das sphärische Stück einfügt. "Feelharmonia" bringt mithilfe der gebürtige Dänin Gry Noehr Bagøien ein Orchester der Gefühle zum Klingen, und für "Swift Code" verlässt Löffler kurzzeitig die Welt der Rhythmen und Takte, um für die ebenfalls recht düsteren Texte des befreundeten Schriftstellers Marcus Roloff ein Bett aus viel Geräusch und wenig Melodie zu erschaffen, in das sich Roloffs Stimme perfekt einfügt.
Offensichtlich fühlt sich Löffler draußen wohl. Auch als bildender Künstler bedient er sich gerne beim Grün am Rande der menschlichen Zivilisation - siehe Albumcover. Die freie Natur mit elektronischer Musik zu kombinieren, scheint für ihn besonders interessant zu sein. Zwei scheinbar gegensätzliche Dinge, die in diesen Händen erstaunlich gut funktionieren. "Bäume auf'm Cover und diese Sounds, das ist doch geklaut von Trentemøller!", sagen die einen. "Ob Trentemøller schon mal an der Ostsee war?", fragen die anderen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Eleven (feat. Mohna)
- Feelharmonia (feat. Gry)
- Blind
Tracklist
- A forest
- Pale skin
- Eleven (feat. Mohna)
- Ash & snow
- Feelharmonia (feat. Gry)
- Signals
- Blind
- Eisberg (Hemal)
- Field
- Swift Code (feat. Marcus Roloff)
- A hundred lights
- Slowlight
Referenzen
Spotify
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