2:54 - 2:54

Fat Possum / Cooperative / Universal
VÖ: 08.06.2012
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Zeit nehmen

Es ist spät. Oder früh. Zwei vierundfünfzig. Wer kann schon sagen, ob Du noch oder schon wach bist? Hat jemand bemerkt, wie spät diese Rezension dran ist? Und ist das wichtig? "2:54" stellt Dir keine Fragen. Und gibt Dir erst recht keine Antworten. Es ist einfach bei Dir. Im Halbschlaf, beim Dösen. Mit einem wohligen Gefühl der Klaustrophobie schließt Du die Augen. Und schon fährt Dir "Revolving" subtil in die Glieder.

2:54 sind zwei Schwestern aus Bristol, und das Wetter dort ist nicht besser geworden, seitdem es dort Massive Attack und Portishead die Laune verhagelt hat. Doch statt von trägen Triphop-Beats ließen sich Colette und Hannah Thurlow von handfesteren Geräuschen inspirieren. Sie fühlten sich als spätgeborene Riot Grrrls, und jede Art von weiblichem Lärm kam ihnen gerade recht. Patti Smith, Huggy Bear, Bikini Kill. Und doch brauchten sie auch die Y-Chromosome von Alex Robins und Joel Porter. Das stoische Pulsieren der männlichen Rhythmussektion schafft genau diese mulmige Atmosphäre zwischen Gothic und Shoegaze, mit der sich Mischer Rob Ellis (PJ Harvey, Placebo) und Produzent Alan Moulder bestens auskennen.

Und doch haben die Männer wenig auszurichten. Hier stehen die Damen im fahlen Scheinwerferlicht. Hannahs unterkühlte Postpunk-Riffs schaben an der Gleichförmigkeit der Achtel herum. Die kristallinen Saiten malen graue Wolken an den Nachthimmel, aber nur, um sie von Colettes Stimme zerschneiden zu lassen. Die ältere der beiden Thirlow-Mädels entwickelt eine bedrohliche Verführung, so schwarz wie der Kajal von Garbages Shirley Manson, so aufwühlend wie die Präsenz von Siouxsie Sioux. Wenn sich die Gänsehaut noch nicht eingestellt hat, sorgt der unbarmherzige Hall für den Rest.

In "Scarlet" versuchen es die Gitarren erst mit Zärtlichkeit, doch dann pflügt der entschlossene Bass die Melodie unter standesgemäße Resignation. Auch der gerade Groove von "Creeping" hat sich von urbaner Hektik befreit und zerfließt im Mondlicht. Und dann ist da ja noch dieses "Revolving": Perlende Saiten prasseln von allen Seiten auf den Zuhörer ein, die im Stereobild vergrabenen Akkorde wehen aus den Achtzigern herüber. Kalte Gitarren tarnen sich als Synthesizer, und der Nebel blitzt im Rhythmus des Stroboskops. Die Thirlows tanzen ungerührt um die brennenden Relikte der Vergangenheit und kommentieren dies mit ätherischem Schwärmen. Jeder Moment von "2:54" versprüht diesen dunklen Glanz vergangen geglaubter Zeiten. Ist es spät? Oder ist es früh? Egal. Es ist wieder Zeit für schwarze Lederjacken und Doc Martens.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Revolving
  • You're early
  • Scarlet
  • Creeping

Tracklist

  1. Revolving
  2. You're early
  3. Easy undercover
  4. A salute
  5. Scarlet
  6. Sugar
  7. Circuitry
  8. Watcher
  9. Ride
  10. Creeping
Gesamtspielzeit: 41:43 min

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