Silversun Pickups - Neck of the woods

Dangerbird / Sire / Warner
VÖ: 15.06.2012
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Am rechten Fleck

Es steht sicherlich außer Frage, dass die Silversun Pickups die uncoolste Musik spielen, die man sich 2012 noch ausdenken kann. Alternative-Rock ist so passé wie "Der Preis ist heiß" und "Familien Duell". Und die Chicago Bulls sind auch weit davon entfernt, mal wieder die Finals zu erreichen. Die Zeiten ändern sich eben. Doch Silversun Pickups verstehen offensichtlich nicht, dass die Neunziger schon längst rum sind. Und vor allem sei die Frage erlaubt, wen die vier US-Amerikaner mit ihrer aus der Zeit gefallenen Musik beeindrucken wollen. Billy Corgan? Obwohl der doch selbst in Plusquamperfekt hängengeblieben ist? Ach ja, fast vergessen zu erwähnen: "Neck of the woods" ist natürlich wieder ein feines Album, doch dies dürfte wohl nur die wenigsten interessieren.

Müßig zu erwähnen, dass das Quartett aus Los Angeles auch auf seinem dritten Album nichts grundsätzlich anders macht als auf den beiden überzeugenden Vorgängern. Brian Aubert und Co. spielen Rockmusik, die man mit so unschön anmutenden Vokabeln wie "knackig" oder "kernig" zu umschreiben pflegt, wobei das ja wiederum nur der Wahrheit entspricht. Speziell im Vergleich zu anderen Bands, die sich eine Sozialisation mit Platten von My Bloody Valentine und Sonic Youth auf die Fahnen schreiben, wirken die Stücke der Kalifornier deutlich handfester, solider, bodenständiger. Manche sagen auch vorhersehbarer. Doch dies allein ist als Parameter für ein gutes Album deutlich zu wenig. Fakt ist doch: Silversun Pickups schreiben verdammt hymnische Alternative-Rock-Songs, die ihr Herz am rechten Fleck tragen.

Im dynamischen Opener "Skin graph" kulminieren dann bereits sämtliche Trademarks, für die man diese Band wahlweise liebt oder eben nicht: Zunächst schält sich das Stück aus einem atmosphärischen Intro, kurz danach zerschneiden knarzende E-Gitarren die stickige Luft und das Schlagzeug beginnt stoisch loszupoltern. Über alledem schwebt bald Auberts charismatische Jungenstimme, die schon immer das distinguierte Merkmal der Kalifornier war. Gleichzeitig steht "Skin graph" mit seinem starken Refrain und den zupackenden Gitarren in der Tradition von "Lazy eye" oder "Little lover's so polite". All diese Stücke haben gemein, dass sie zwischen purer Schönheit und roher Brachialität pendeln. Mit den effektlastigen "Simmer" oder "Mean spirits" überspannt das Quartett aus Los Angeles vielleicht den Bogen etwas, weil alles in den Dienst der Wucht gestellt wird. Fingerspitzengefühl und Finesse wird man hier nicht finden, dafür aber Gitarrenriffs wie Blutgrätschen.

"The pit" bekommt zur Abwechslung mal ein paar elektronische Beats spendiert, ohne es aber mit solchen Sperenzchen zu übertreiben. Silversun Pickups nutzen hin und wieder derlei Zutaten, um ihren adrenalingetränkten Liedern Charakter zu verleihen, was nicht immer ganz erfolgreich endet. Denn eigentlich sind sie immer genau dann am besten, wenn sie den Schnickschnack beiseite lassen und ihre kerzengeraden College-Rock-Hits ohne Umwege in den Äther schießen. So wie beim herrlich um die Kurve schlingernden "Gun-shy sunshine", das im Refrain aufbricht und einen wirklich davon überzeugt, dass die neunziger Jahre durchaus ihren Reiz haben. Auch heute noch. Weiß sogar Billy Corgan.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Skin graph
  • Gun-shy sunshine
  • Out of breath

Tracklist

  1. Skin graph
  2. Make believe
  3. Bloody Mary (Nerve endings)
  4. Busy bees
  5. Here we are (Chancer)
  6. Mean spirits
  7. Simmer
  8. The pit
  9. Dots and dashes (Enough already)
  10. Gun-shy sunshine
  11. Out of breath
Gesamtspielzeit: 58:50 min

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