Young Man - Vol. 1

Tom's Apple / Frenchkiss / Rough Trade
VÖ: 25.05.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Nach dem Mairegen

Vielleicht wurde Colin Caulfield aus Minnesota von seinen Eltern zu oft im Mairegen vor die Tür geschickt. Laut einer alten Bauernregel fördert das ja das Wachstum. Aus ziemlich zuverlässiger Quelle ist aber überliefert: Man wächst als Kind evolutionsgerecht und unabhängig von jedweden Witterungslagen. Dennoch macht sich Caulfield, der Kopf hinter den einst als Solo-Projekt gestarteten, mittlerweile jedoch beinahe zur Band angewachsenen Young Man, erstaunlich viele Gedanken um das Heranwachsen. Um die Jugend, die komprimierten Extreme der Gefühlswelten in der Pubertät und den Übergang zum Erwachsenen-Dasein. Einen Teil seiner Jugend hat der Hörer schon verpasst, denn mit "Vol. 1" erscheint das zweite Album einer Trilogie in Deutschland. Zu kompliziert? Geschenkt, wenn unter dem Strich hängen bleibt, dass "Vol. 1" eine starke Platte ist, reicht das vollkommen aus.

Im Opener "Heading" flirren Synthies auf den Hörer zu, umströmen ihn und ziehen Schwaden durch den Raum. Wenn dann die unaufgeregten Drums auf dem Beifahrersitz Platz nehmen und Caulfields warme Singstimme das Steuer übernimmt, gibt es bereits kein Entkommen mehr: Young Man haben gerade bezirzt. Wie die Schlange im Paradies. Nur ohne Gift. Für gute 40 Minuten versinkt der Hörer darauf in einem atmosphärischen Werk, dessen galante Übergänge den Erzählstrang enger ziehen. Man hat gar keine andere Wahl, als sich weiter in den Bann ziehen und selbst fallen zu lassen. Hinterlist kann auch charmant sein.

In "Thoughts" weht der Wind durch die Gassen, und Caulfield wiederholt auf einem folkigen Teppich "I, I, I, I've been thinking". "Too much" ergänzt er nach einer Minute ebenso losgelöst wie selbstkritisch und öffnet damit den Blick auf die gerade ins Zentrum gerückten Drums. Was sich bis hierhin bereits bemerkbar gemacht hat und durch das folgende "By and by" noch deutlicher wird: Young Man lieben die Strukturen, das Instrumentarium und die Rhythmik des Progessive Rock. Und doch sind sie weit davon entfernt, jenen Klängen nachzueifern. Stattdessen verzieren sie diese Grundierung mit Stuck aus träumerischen Popmelodien und Folk.

"Do" erlebt seinen Simon-&-Garfunkel-Harmonieausbruch nach drei Minuten, und schon spitzt man die Lippen für sein eigenes "Do do do do do do". Für "Fate" verwahren sich Young Man die unwiderstehlichste Hookline von "Vol. 1", die auch nur einmal erscheint, um ja nicht Gefahr zu laufen, in gängige Strukturen abzurutschen. Die wunderbaren Gitarrenparts lassen "21" dreimal hoch leben, "Wandering" mag lieber dröhnen und "Directions" federleichte Synthies blinzeln sehen. Alle fügen sie sich problemlos ein auf "Vol. 1". Da erblasst jeder Erziehungsberechtigte vor Neid: So verschont wie hier werden sie bei keiner Pubertät. Wie schnell die kleinen Young Man doch groß werden. In jeder Hinsicht.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Do
  • Fate
  • 21

Tracklist

  1. Heading
  2. Thoughts
  3. By and by
  4. Do
  5. Fate
  6. Wasted
  7. 21
  8. Wandering
  9. Directions
Gesamtspielzeit: 42:27 min

Im Forum kommentieren

deinemama

2012-06-27 00:30:24

"Triologie"... welcher Idiot hat denn diese Rezension geschrieben?!

captain kidd

2012-06-10 17:40:53

hat auch was von der ersten built to spill. allerdings klingt es eher nach schlafzimmer als nach garage. aber diese spleenige melodienseeligkeit ist ähnlich.

captain kidd

2012-06-02 22:37:12

bin endlich drauf gekommen, an was mich der sound erinnert. an das album "Now, More Than Ever" von jim guthrie. schönes ding damals. owen pallett spielte auch mit.

Tim

2012-06-01 18:16:05

Wer noch zum Köln-Konzert möchte und keine Karten hat: 3x2 Karten für Young Man im Studio 672 zu gewinnen: https://www.facebook.com/islandofsobriety/app_359209974102585

Stephan

2012-05-26 11:25:30

Ich mag die Platte auch.

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