Tom Jones - Spirit in the room
Island / UniversalVÖ: 25.05.2012
Die singende Altherrentorte
Alle altern. Auch sämtliche Sternchen des Showgeschäfts, das nur die ewige Jugendlichkeit, gestraffte Gesichter und pralle Möpse kennt, müssen sich zwangsläufig ihrer inneren Uhr stellen. Tick Tack. Tick Tack. Tick Tack. Mit über siebzig Jahren dürfte Sir Tom Jones dieses Geräusch kennen. Doch tatsächlich ist es ihm egal. Mit der mittlerweile vierzigsten Studioplatte füllt er fast so viele Regalmeter wie Neil Young. Und ja, der Tiger hat sich musikalisch entwickelt über all die Zeit - ungeachtet Vegas, ungeachtet seines Ruhms. Mit "Praise & blame" nahm sich Jones Country, Gospel und Soul vor, coverte etwa Bob Dylan. Dabei erreichte er nie die Tiefe, an der sich Johnny Cash mit seinen späten Platten abarbeitete - aber wem will man sowas wirklich zum Vorwurf machen? Denn Tom Jones kann den Zeremonienmeister nicht ganz ablegen. Die Schattenseite des Showgeschäfts verkauft er eben auch als das, was sie letztendlich ist - eine Show.
Genau nach diesem Leitfaden funktioniert auch "Spirit in the room" - das Waits-Cover "Bad as me" bleibt eine Inszenierung, eine harmlose dazu. Dafür hat Jones vielleicht auch seine Kehle zu sehr mit Champagner als mit Whiskey begurgelt. Manchmal bleibt auch das Gefühl, dass Jones nicht wirklich an seine Grenzen heran will. "Hit or miss" schrammelt sich mit seiner Gitarre an allen eingefahrenen Mustern ab, die es so im Country geben könnte. Der Stimme von Jones fehlt es in diesen Momenten an Ernsthaftigkeit, an Schmerz und Sehnsucht. Vielmehr hat man bei "Soul of a man" das Gefühl, dass sich Jones offenbart. Der Song von Blind Willie Johnson hat Kraft und auch wenn es nur eine Aufführung, ein Theater sein mag, zwischen der schweren Gitarre, die langsam eine Melodie in die dreieinhalb Minuten fließen lässt, liegt irgendwo ein Puls, den Jones mit seiner Stimme antreibt.
Doch trotzdem bleibt es irgendwie komisch, den Tiger zwischen all den klassischen Instrumenten ohne den Funken Lebensfreude zu hören, ohne diese Doppelbödigkeit seiner früheren Sachen. Die Luft brennt auf "Spirit in the room" nie. Da liegt aller viel weniger an Jones, als an der Produktion, die zu klar, zu platt, zu einfach ist. Der Chor in "Charlie Darwin" rutscht so plump in den Song, dass es anfängt verflucht zu weihnachten. Dabei kann es kaum sein, dass Jones keine Geschichten zu erzählen hat, dass er nichts gesehen hätte. Statt das Hemd aufzuknöpfen, um der Welt sein graumeliertes Brusthaar zu präsentieren, bleibt auf "Spirit in the room" eher Bingoabend und Heizdecke übrig - leider. Trotzdem immer noch eine okaye Sache, wie der Besuch bei Oma und Opa. Aber vielleicht versteht das unsereins auch erst komplett, wenn die Uhr anfängt zu ticken.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Tower of song
- Soul of a man
Tracklist
- Tower of song
- (I want to) Come home
- Hit or miss
- Love and blessings
- Soul of a man
- Bad as me
- Dimming of the day
- Traveling shoes
- All blues hail Mary
- Charlie Darwin
- Just dropped in
- Lone pilgrim
- When the deal goes down
Referenzen
Spotify
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