Stereo Total - Cactus vs. Brezel

Staatsakt / Rough Trade
VÖ: 01.06.2012
Unsere Bewertung: 3/10
3/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Keine Ahnung

Neulich auf der Scham-Couch: Irgendein Deutschrocker, der "ja damals schon dabei war", behauptet, die hätten das gar nicht so arg ernst gemeint. Irgendein Musikproduzent mit stahlergrautem Haar findet, sie hätten die deutsche Musiklandschaft "aber schon ordentlich durcheinandergewirbelt". Irgendeine längst von Dieter Bohlens Steuererklärung abgesetzte DSDS-Tussi kichert verzweifelt in ihren Handrücken. Und irgendein Olli G. dreht sich, die Augenbrauen hysterisch gelupft, zur Kamera und resümiert ein hilfesuchendes "Hach ja." Ganz Recht, es war mal wieder die Rede von Trio und ihrem "Da da da". Und genau so, wie man sich seit Jahren fragt, wieso es diese infantile Mitt-30er-Faulheit als Fernsehformat überhaupt noch gibt, fragt man sich das auch bei Stereo Total. Im einen oder anderen Fall muss gesagt werden: Keine Ahnung. Wirklich nicht.

Denn erneut hilft das mittlerweile elfte Album von Françoise Cactus und Brezel Göring als Stereo Total nicht wirklich weiter. Stattdessen hämmert gleich das Schlagzeug von "Jaloux de mon succès" derart stoisch durch die Liquido-Synthies, dass die Hosenträger von Peter Behrens jegliche Spannkraft verlieren - und der Hörer kaum begreifen kann, dass Stereo Total einst nicht für NDW 0,5 gehalten wurden, sondern für eine ganze Menge mehr. Im Sog der ausklingenden 1990er Jahre wollten sie es allen zeigen: Dickhosen-Rockern, Post-Rockern, Techno-Pillenschmeißern, Euro-Tänzern und all den "blühenden Landschaften" mal erst Recht. Berlin fand das rischtisch jeil, weil, ditt wa rischtisch jeil. Alle anderen hatten eh die Schnauze voll und zuckten halt einfach mit.

Genau dieses Mitzuckpotential erfüllt "Cactus vs. Brezel" allerdings kaum einmal, trotz The Black Keys' Gus Syeffert am Produzentenpult. Immer wenn wie zu "Caféteria Ideale" oder "Qu'est-ce que tu veux?" die Postpunk-Bässe angeschmissen werden, Cactus ihre Snare poltern lässt und Streichersamples durch die Big-Beats strampeln, packt das Album ansatzweise zu. Ansonsten aber herrscht hier Elektro-Punk-Pop der hölzernsten Art. Egal wie Göring und Cactus bei "Ich will Blut sehen" oder "Diese Musik hört sich an" im immergleichen Nathalie-Licard-Akzent dagegen anskandieren: "Diese Musig 'ört sisch aan / Wie ein 'asenmäher / Wie Kehlkopfkrebs"? Nö, all das klingt eher wie ein ziemlich fetter Floh im Ohr.

Unbedingter Tiefpunkt: "Die Frau in der Musik". Ein Atari-Pluckern, ein Endlos-Beat, dazu ein Text, der NDW 0,5 mit Achtziger-Jahre-Spex-Diskursen -3,0 kurzschließt. Dass den Hörer so etwas nur noch zum Gähnen animiert, ist dann allerdings der Schulterschluss zur Konsensmasse. Sagen Anthropologen/Psychologen/Soziologen. Wer auch immer: Es hat jedenfalls nichts mit der Güte dieser Musik zu tun. Denn einzig und allein Stereo Total können durch die Jahrzehnte stolpern und dabei ausschließlich ein und denselben Trick auf der heißen Pfanne haben. Wieso? Keine Ahnung. Wirklich nicht.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Qu'est-ce que tu veux?

Tracklist

  1. Jaloux de mon succès
  2. Pixelize me
  3. Die Frau in der Musik
  4. Qu'est-ce que tu veux?
  5. Le ridicule ne tue plus
  6. Chopin ou quoi?
  7. Caféteria Idéale
  8. Ein Lied für Vegetarier
  9. Das Monstrum
  10. J'aime le synthétique
  11. Nympho-maniaque
  12. Diese Musik hört sich an
  13. LA, CA, USA
  14. Ich will Blut sehen
  15. We don't wanna dance
Gesamtspielzeit: 40:48 min

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