Patti Smith - Banga

Columbia / Sony
VÖ: 01.06.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Ein offenes Buch

Was soll Bob Dylan mit dem Literaturnobelpreis? Ins Regal stellen? Die Kohle spenden? Popmusiker und Literaturpreise - passt das überhaupt zusammen? Patti Smith hat unlängst vorgemacht, wie das funktioniert. Für ihren Künstlerroman "Just kids" wurde sie 2010 mit dem National Book Award ausgezeichnet, dem zweitwichtigsten Literaturpreis Amerikas. "Just kids" ist der biografische Bericht einer unwahrscheinlichen Freundschaft und erzählt eine düstere Liebesgeschichte. Und weil Smith das einzige menschliche Wesen ist, das sowohl in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen wurde als auch den National Book Award in der Vitrine stehen hat, ist sie das, was ihre Eltern ihr niemals zugetraut haben: Eine der wichtigsten Künstlerinnen unserer Zeit.

Entsprechend groß waren die Erwartungen an "Banga", das neue Studioalbum der einst als "Queen of Punk" bezeichneten Künstlerin, das seine Runden um die großen, die allergrößten Themen der Menschlichkeit zieht: Liebe, Tod, Hass, Sehnsucht. Irgendwo dazwischen hat sie ein Geburtstagsständchen an Busenfreund Johnny Depp versteckt ("Nine"), eine Meditation über Amy Winehouse untergebracht ("This is the girl") und ihr Erschrecken über die Katastrophen in Japan artikuliert ("Fuji-san"). Herausgekommen ist ein abwechslungsreiches Album, das vor allem eines ist: gute Unterhaltung.

Der vielleicht beste Song steht gleich am Anfang: "Amerigo" ist ein Nachdenken über die Schrecken der Kolonialisierung, über die Naivität und den Mut der Weltentdecker. Es ist die Geschichte von Amerigo Vespucci, dem Namensgeber Amerikas. Während Smith "And the sky opened / And we laid down our armor" singt, zieht sich die Schlinge langsam zu. Ein zynischer Rocksong. Die sanfte Single "April fool", so harmlos wie schön, tänzelt körperlos durch den Frühlingsregen und das schwere "Tarkovsky (The second stop is Jupiter)" verstört mit seinem Eskapismus die sanften Gemüter. Verschleiert sind die Songs, sie liegen im Nebel. Doch sind sie niemals einschläfernd oder belanglos. Sie fassen nach den Beinen und ziehen den Hörer langsam hinab zum Grund.

Mit dem sanften, wunderschönen "After the gold rush" leitet Smith das versöhnliche Ende des Albums ein. Ein einsames Piano, eine leise Akustikgitarre genügen Patti Smith, um der Welt einen Gruß zuzurufen und die Menschen aufzufordern, mit ihr ins Reine zu kommen. Der Kinderchor mag kitschig sein, betont aber doch die Verantwortung, die jeder menschliche Weltenbürger hat. "Just kids" ist das Finale, das man sich gewünscht hat: Tiefe Gitarren, ein bedrohliches Schlagzeug. Patti Smith spricht verschwörerisch und am Ende fühlt man sich wie ein Indianer, der ums Lagerfeuer tanzt. "Banga" funktioniert nicht nur im Kopf. Es geht auch durch Mark und Bein.

(Christian Preußer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Amerigo
  • Maria
  • After the gold rush
  • Just kids

Tracklist

  1. Amerigo
  2. April fool
  3. Fuji-san
  4. This is the girl
  5. Banga
  6. Maria
  7. Mosaic
  8. Tarkovsky (The second stop is Jupiter)
  9. Nine
  10. Seneca
  11. Constantine's dream
  12. After the gold rush
  13. Just kids
Gesamtspielzeit: 63:30 min

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