Architects - Daybreaker
Century Media / EMIVÖ: 25.05.2012
Anatomie der Apokalypse
Unausrottbar hält sich die Vorstellung vom Ende der Welt 2012 aufgrund einer alten Maya-Prophezeiung in den populären Einbildungen. Was in Bezug auf die Steintafel aus Tortuguero vehement dementiert wurde, holen Architects auf hohem Niveau nach. Dabei fungieren die fünf Brightoner nicht nur als bloße Posaunenbläser des Untergangs, sondern organisieren sich gleich selbst als Herrenreiter der Apokalypse in Personalunion. Das Ergebnis ihrer Bemühungen dürfte selbst das Trommelfell von Roland Emmerich perforieren.
Vor annähernd zwanzig Jahren schon monierte William S. Burroughs, dass die westliche Gesellschaft dergestalt strukturiert sei, dass die größte Macht in den denkbar schlechtesten Händen liege. Besser scheint es seitdem nach Ansicht von Architects nicht geworden zu sein. Auf ihrem fünften Album verlagern sie ihren Fokus prompt von der personalen Quarterlife-Crisis-Ebene hin zu sozialen und politischen Unhaltbarkeiten. Ihr exaltierter Postmetal-Mathcore-Bastard nimmt eine Lebendautopsie der Gesellschaft entlang der Achsen Ungleichheit und Ungerechtigkeit vor: Rassismus, Mord, Korruption, Ausbeute. Diese Welt ist schwärzer als eine Raucherlunge in der Dunkelkammer.
Als hätten die Engländer jede Zeile von Cormac McCarthys "The road" zwei Mal internalisiert, dramatisiert schon der Opener "The bitter end" mit Ambientklängen und Klavier die Einsamkeit der Verlorenheit, bevor die Massenvernichtung in dichtem Klangsturm eingeläutet wird. Alles wird nieder geknüppelt, was sich in den Weg stellt. Die aggressiven Riffs peitscht Sänger Sam Carter zwischen cleanen Saosin-Refrains und Stimmbandriss-Gekreische in hoher Bewegungsenergetik voran, womit er als eine Mischung aus verwundetem Tier und hasserfülltem Berseker daherkommt. Wie ein Orchestermeister des Untergangs steht er mit blutiger Faust an der Wand und dem Mittelfinger auf dem roten Knopf und speit unverdaut die Überreste unkonturierter Emotionsmassen hervor. Dass ein professioneller Weltuntergang auch ruhige Momente aufzuweisen hat, wusste hingegen schon Lars von Trier. Und auch Architects drosseln das Tempo und legen mit ruhigen elektronischen Flächenklängen in "Behind the throne" eine Reflexionspause ein.
Am besten sind Architects jedoch, wenn ihre Blutgrätsche alles niedermalmt. So beispielsweise im Mittelteil der Single-Großtat "These colours don't run". Nachdem die Innereien des Songs mit der Brechstange herausgeholt wurden, traktiert Schlagzeuger Dan Searle die dumpfen Gefilde seiner Toms in modifizierter Marschrhythmik. Die Akkordkaskade verlangsamt sich, das wenige Licht verdüstert sich endgültig. "I'm struggling to find any poetry in this / Someone beat me to the line, ignorance is bliss / So I guess I‘ll just say it how it is / You had it all." Kurzer Break, in dem alles ruhig scheint. Es folgt ein gefauchtes Resümee in die Stille hinein: "You fucking pigs." Ist zwar sehr plakativ, sitzt aber besser als ein Ohrbiss von Mike Tyson. Der Logik des Untergangs folgend, wird die Wutlatte in chaotischen Eruptionen der Dillinger-Escape-Plan-Schule hochgehalten, wie etwa in "Outside heart" und im Verlauf von "Devils Island". Schließlich mündet die Verwüstung im schaurig-moribunden "Unbeliever", das wie alles klingt, was gegeben werden musste. Und das ist, was vom Tage übrig blieb: desolat fallende Asche nach dem Weltenbrand. Dermaßen starke Musik verdient, was sie selbst produziert: die Apokalypse.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The bitter end
- Alpha omega
- These colours don't run
- Outside heart
Tracklist
- The bitter end
- Alpha omega
- These colours don't run
- Daybreak
- Truth be told
- Even if you win, you‘re still a rat
- Outsider heart
- Behind the throne
- Devil's island
- Feather of lead
- Unbeliever
Referenzen
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