Seth Lakeman - Tales from the barrel house

India / Zebralution / Rough Trade
VÖ: 27.04.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Held in Feinripp

In Zeiten gewaltiger Staatsbankrotte, Wirtschaftskrisen, steigender Arbeitslosenproblematik und unersättlicher menschlicher Gier werden im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts neben Sehnsüchten nach überbordenden Supermännern auch jene nach alltäglichen Helden wach, die diesen Missständen Einhalt gebieten. Es nimmt mitnichten Wunder, dass noch vor einigen Jahren ein knapp unterhalb der Fettleibigkeit liegender Russell Crowe als Robin Hood den Sherwood Forest im Kampf gegen soziale Unterdrückung durchrobbte oder Bruce Willis als ehemals versiffter Bulle John McLane mittlerweile sein fünftes Revival plant. Die Ausbeuterwölfe lümmeln überall. Wütend und dekonstruierend keiften Converge: "No heroes". Nichts kann da mehr helfen. Und doch machte die ehrwürdige Times Seth Lakeman zum "new folk hero", der 2005 haarscharf am renommierten insularen Mercury Music Prize vorbeischrammte.

Lakeman kämpfte nichtsdestotrotz weiter, obzwar nicht im Latexkostüm, stattdessen aber mit Fidel und Banjo. Auf seinem mittlerweile sechsten Langspieler stilisiert er sich mit seinem knorken Herz am rechten Fleck und viel Malocherschweiß im Feinripp zum Sprecher der Arbeiterklasse. Seine Lieder sind Plädoyers für die Plebs, setzen Einfachheit gegen neoliberale Neuerfindungsregimes. Er geißelt soziale Miseren in Rückgriff auf Traditionalismen. Sein Weg nach vorne ist ein Weg zurück durch Rückbesinnung. Ein Straight-Forward-Traditionalist, der mit dem Kopf gegen die Wand rennt. Wer braucht da schon die Metaebene?

Schon Gustav Mahler sagte: "Tradition ist Bewahrung des Feuers, nicht die Anbetung der Asche." Sich dessen eingedenk, packt Lakeman erneut seine Waffen aus der ollen Mottenkiste und beschallt die saturierten ohrenschmalzlöchrigen Gehörgänge mit moritatenhaftem Bänkelsang aus den Untiefen verrauchter Kneipen, die irgendwo in kleinen Binnenhafenstädten ihrem Verfall zusteuern. Oder er vertieft sich in alte Grabinschriften, die er in die Weiten der nebligen Moore Englands hineinträllert. Alles mit einer Träne im rechten Auge und einem flachen Lächeln auf der linken Lippe. Vokalistisch klingt er entfernt nach Kenny Loggins. Doch kurzerhand wird aus einem schmalzigen "Welcome to heartlight" ein mit einem rauchigen Banjo und pochender Base "Brother of Penryn", bevor er rußig tiefer in die Welt von Kupferminenarbeitern, Holzfällern und Schmieden eintaucht. Lakemann ist dabei genauso stur wie der Granitblock, den seine Protagonisten bearbeiten.

Wie schon Levon Helm, der professionell den "Dirt farmer" raushängen ließ, klopft auch der Brite feinstes Mineral mit seinen Arrangements aus Traditionals heraus und zeigt, dass etwas Rost noch lange kein altes Eisen ausmacht. Vielmehr werden daraus emphatische Kampfansagen, ohne dass der Mann seine Stimme erheben muss. Das Pathos sitzt genau fein ausgehandelt, etwa in "Blacksmiths prayer". Die Nackenschauer sind fest in das Repertoire des Barden einkalkuliert. Seine Songs setzen ihre staubigen Absätze auf alle Linda-Perry-Kommerzschmalbrustproteste, ohne dass Lakeman selbst predigend protestieren würde. Mit viel Schlamm in den Venen zeigt er als Working-Class-Hero ohne auszuholen Durchschlagskraft. Einen feuchten Kehricht auf den Reibach gebend wird sich lieber im Straßenschmutz gewälzt und ordentlich Patsche auf Konventionaliät gespuckt. Aber alles mit konventioneller Haltung. "It's a hard road on your own / A hard road you can't let go." Diesen wird Lakeman wohl auch unbeirrt mit Dreck in den Eingeweiden und Haaren auf der Brust weitergehen. Und das ist gut so.

(Peter Somogyi)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • More than money
  • Blacksmiths prayer
  • Hard road
  • The brother of Penryn

Tracklist

  1. More than money
  2. Blacksmiths prayer
  3. The watchmaker's rhyme
  4. Hard road
  5. The sender
  6. Salt from our veins
  7. Brother of Penryn
  8. Apple of his eye
  9. Higher walls
  10. The artisan
  11. Another long night
  12. Cooper's hands
Gesamtspielzeit: 51:26 min

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