Au - Both lights

Leaf / Indigo
VÖ: 04.05.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Beweisstückwerk

Manchmal kommt es einem beim Hören von "Both lights" so vor, als schaue man eine Folge "Dexter". Natürlich nicht, weil Luke Wyland und Dana Valatka, die beiden federführenden Männer hinter Au, als Forensiker arbeiten und zugleich Massenmörder sind. Oder auch nur den Eindruck erwecken, dass sie das sein könnten. Nein, vielmehr wirft sich das dritte Studioalbum des experimentell-avantgardistischen Pop-Projekts gerade gegen Ende einen spießbürgerlichen Umhang um. Dabei hatten die beiden doch noch wenige Minuten zuvor ein kontrolliertes Instrumentengemetzel abgehalten.

Dass all das nicht gleich im manischen Piano-Tuba-Drum-Trash-Massaker von "Why I must" enden muss oder in einer fiepend Keyboardtasten zerfurchenden Grammophon-Hacke, zeigen Au gleich zu Anfang im fabelhaften "Epic". Das macht seinem Namen nämlich alle Ehre und schickt gleich mal einen entfernten Verwandten vom Tier aus der Muppet-Show an die Drums, um richtig rumzuscheppern. Dazu brummt nach einer Minute ein Bass aus Klangkörpern, flötet und trötet es aus einem akrobatisch malträtierten Dudelsack und flitzen und flanieren eingestreute Keyboard-Sequenzen zu einem epochalen Ende. Allein für diesen melodiösen Opener lohnt der Kauf des Albums, was dann freilich etwas kurz geraten wäre. Und darum machen Au netterweise einfach so weiter.

"Get alive" könnte mitunter gar von den Irrepressibles stammen, weil der Track das Cembalo in das erste Sonnenlicht des Tages stellt und stimmlich ein melodramatisches Transgender-Varieté bietet. Dazu wirbeln Holzbläser in einem poppigen Arrangement, das nur durch einen Banjo-Einsatz Marke Sufjan Stevens seinen folkigen Anstrich erhält. Mit "Crazy idol" folgt ein Shearwater-Gottesdienst, dessen Orgel die schwermütige Predigt und den elfenhaften Backgroundgesang begleitet. "Solid gold" dagegen muss mindestens auf Speed sein - zumindest, wenn es nach dem Tempo des Songs und der auf Zick-Zack-Kurs befindlichen Gitarre geht. Dass dann plötzlich Colin Stetson zum Saxophonsolo ansetzt und dem Track eine leicht jazzige Note verleiht, darf niemanden mehr wundern. Zumal der Track eingangs wie der Wolf im Schafspelz als Pianoballade auftrat.

Diesen Ruhepol greifen Au dann zum Ende wieder auf. Schon "Go slow" mit seinen wiselflink bedienten Pianotasten lässt sich kaum mehr aus der Bahn werfen, doch tiefenentspannt und gänzlich einfühlsam wird es erst, wenn Sara Winchester gesanglich durch "Old friend" führt. Sollen sich die Forensiker ruhig mit der Suche nach den Ingredienzien des Multiinstrumentariums von Au beschäftigen - nur werden sie daran verzweifeln. Darum sollte "Both lights" bei der ohnehin integrierten Fragmentierung so gelassen werden, wie es ist: am Stück und im Ohr.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Epic
  • Get alive
  • Solid gold
  • Go slow
  • Old friend

Tracklist

  1. Epic
  2. Get alive
  3. Crazy idol
  4. Oj
  5. The veil
  6. Solid gold
  7. Today / tonight
  8. Why I must
  9. Go slow
  10. Old friend
  11. Don't lie down
Gesamtspielzeit: 40:34 min

Spotify

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