
Santigold - Master of my make-believe
WarnerVÖ: 11.05.2012
Unverwechselbar
Irgendwie ist das ja ziemlich doof gelaufen für Santi White. 2008 legt die US-amerikanische Künstlerin zunächst ein Debüt-Album vor, welches weit über Genregrenzen hinaus funktionierte, indem es urbanen HipHop, angeschossenen Reggae und Electronica zu einer unverwechselbaren LP zusammenstöpselte. Und dann muss die Gute urplötzlich ihren Künstlernamen ändern, weil irgendein Hein Blöd wohl schon als "Santo Gold" unterwegs war und es sich nicht nehmen ließ, rechtliche Schritte einzuleiten. Völlig zurecht kennt diesen Typen immer noch niemand, während Santi White - jetzt unter ihrem neuen Namen Santigold - einen spitzenmäßigen Nachfolger vorlegt. Die Platte heißt "Master of my make-believe" und zeigt White von einer neuen, zerbrechlichen, aber ebenso kämpferischen Seite.
Santigold hat ja prinzipiell nichts zu verlieren, denn wenn man schon eimal seinen Namen abgeben musste, dann glaubt man wohl per se an nichts mehr. Und so beginnt die Platte auch eher rüpelhaft, der Opener "Go!" klingt wie ein Kneipenabend unter Mädels nun einmal klingt, insbesondere wenn zwei Punk-Damen wie Yeah Yeah Yeahs' Karen O. und eben White aufeinandertreffen. Etwas versöhnlicher gerät die fantastische Single "Disparate youth", in der es natürlich um's Durchhalten geht: "We hear that rumble, don't hear what you say / Now here we come, can't throw nothing in our way." Das geht logischerweise raus an alle Ignoranten und Quälgeister, die sich Santigold bis dato in den Weg gestellt haben. Selten hat jemand so schön ein gepflegtes "Fuck you" formuliert, ohne das böse F-Wort in den Mund zu nehmen.
Mit "Freak like me" begibt sich White dann auf gewohnt dünnes M.I.A.-Eis: Für den einen ist die Nummer noch ein prima Club-Kracher, der nächste wendet sich vielleicht schon genervt ab. Das Polarisieren gehört eben auch zu Santigold, wobei sie es auf "Master of my make-believe" wahrlich nicht übertreibt. Nach jedem kleinen Ausraster folgt die nächste ultrahymnische Melodie, das nächste versöhnliche Feuerwerk. Wie sich das entspannte "This isn't our parade" zum Ohrwurm entwickelt, ist beispielsweise überaus bemerkenswert. Was freilich auch an der königlichen Hilfestellung befreundeter Künstler liegt. Müßig zu erwähnen, dass der omnipräsente TV-On-The-Radio-Boss Dave Sitek auch hier mal wieder seine Finger im Spiel hatte.
Dass Santigold mit dem in allen Farben des Regenbogen strahlenden "The keepers" ein zweites "L.E.S. artistes" gelungen ist, sollte sicherlich auch erwähnt werden. Keine Diskussion: Santigold kann Hits, wenn sie möchte. "Master of my make-believe" zeigt sie aber darüber hinaus als facettenreiche Künstlerin, die keine Notwendigkeit darin sieht, sich für irgendeinen Stil zu entscheiden. Wozu auch? Santigold mag das Spiel mit der musikalischen Identität, sie liebt die Entscheidungsfreiheit, die vielen Möglichkeiten, die sich heute zwangsläufig bieten. Für den Hörer bleibt sie so auch mit ihrem zweiten Album ein Faszinosum. Da ist es dann schlussendlich auch schnurzpiepegal, unter welchem Banner die Musik erscheint. Das weiß White selbst und stellt es in "Fame" deutlich heraus: "We ain't got no name / No, we ain't got no name / We're rough, I understand / Cuz there's status here to claim." Und alle so: True story.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Disparate youth
- God from the machine
- This isn't our parade
- The keepers
Tracklist
- Go!
- Disparate youth
- God from the machine
- Fame
- Freak like me
- This isn't our parade
- The riot's gone
- Pirate in the water
- The keepers
- Look at these hoes
- Big mouth
Referenzen
Spotify
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