High On Fire - De vermis mysteriis

Century Media / EMI
VÖ: 20.04.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Geschichten, die der Metal schreibt

Jesus hatte einen Zwillingsbruder, der leider sterben musste, damit der Heiland leben und sein Werk vollbringen konnte. Das war allerdings halb so schlimm für Liao, den Zwilling, denn der wurde nach seinem Tod zu einem Zeitreisenden, der gewissermaßen nur einen Vorwärtsgang hat und in China auf eine Schriftrolle stößt, die zum einen aus Stygia stammt - einem Königreich in der von Robert E. Howard erdachten Fantasy-Welt Hyboria - und zum anderen das Rezept für einen Zaubertrank enthält. Mit dem wiederum kann der Zeitreisende durch die Augen seiner Ahnen in die Vergangenheit blicken und so macht er sich auf, um herauszufinden, warum sein Bruder zu einer solchen Ikone geworden ist, in dessen Namen das Christentum im Laufe der Zeit für so viel Krieg und Zerstörung gesorgt hat. Alles klar?

Das Leben schreibt die schönsten Geschichten, aber die seltsamsten bringt wohl noch immer der Metal hervor. Zum Glück steht der musikalische Wahnsinn dem narrativen auf High On Fires sechstem Studioalbum in nichts nach. In Sachen roher Gewalt legt die Band um den Sleep-Gitarristen Matt Pike im Vergleich zum Vorgänger noch mal ein paar Kohlen nach. Das dürfte nicht zuletzt an der überaus schroffen und damit schlichtweg kongenialen Produktion von Converge-Gitarrist Kurt Ballou liegen. Wer angesichts verschwurbelter Zeitreise-Stories und Songs jenseits der fünf Minuten auf ähnlich spacige Ausflüge hofft, wie sie Mastodon auf "Crack the skye" unternommen haben, liegt kräftig daneben.

High On Fire klingen weiterhin wie die misanthropischen Cousins von Motörhead: laut, oft schnell und ohne Gnade fürs Trommelfell. In "Fertile green" gleicht die Snaredrum einem Presslufthammer zwischen dessen Einschläge sich ein primitives Metalriff schiebt. Dazu brüllt Pike sich heiser und den Teufel aus der Hölle und alle paar Sekunden überschlägt sich der Song selbst. Andere Stücke gehen mit mehr Finesse, aber gleicher Durchschlagskraft vor. "Madness of an architect" doomt sich am Anfang genüsslich für zwei Minuten durch träge Gitarrenschleier und zündet dann die Dampfwalze. Vor allem die schnellen Drum-Fills verleihen dem Song ein unglaubliches Momentum. Zudem ist Pike ein zu Unrecht unterschätzter Gitarrist, was er nicht nur während der großartigen Riff-Abfahrten von "Bloody knuckle" unter Beweis stellt.

Der Titeltrack verdient noch am ehesten das Adjektiv "hymnisch", wälzt sich aber immer noch im gleichen Dreck wie der Rest des Albums. Jeder Akkord quillt bedrohlich schwer aus den Boxen, Bass und Schlagzeug geben mit einer fast spürbaren Kälte den Groove vor. "De vermis mysteriis" ist mit seiner abweisenden Rohheit ein schwer verdauliches Stück Musik für schlechte Tage. Da ist es auch egal, wie abgehoben die Geschichte dahinter ist. Denn was diese Platte nicht auf den Boden zurückholt, hat die Umlaufbahn des Planeten schon lange verlassen.

(Maik Maerten)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Bloody knuckle
  • Fertile green
  • Warhorn

Tracklist

  1. Serums of Liao
  2. Bloody knuckle
  3. Fertile green
  4. Madness of an architect
  5. Samsara
  6. Spiritual rites
  7. King of days
  8. De vermis mysteriis
  9. Romulus and Remus
  10. Warhorn
Gesamtspielzeit: 52:17 min

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum