Locas In Love - Nein!

Staatsakt / Rough Trade
VÖ: 20.04.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Der Text heiligt die Mittel

Worte, Sätze, Sprache - Locas In Love machen kein Geheimnis daraus, dass das, was sich auf ihrem Album "Musik" nennt, zu einem beträchtlichen Teil von den Texten lebt, die dem Instrumentalen entgegengesetzt werden. Um das unmissverständlich deutlich zu machen, hat sich die Band entschlossen, im ersten und im letzten Song der Platte einfach vollständig auf Musik zu verzichten und den Hörer auf diese Weise zu zwingen, dem gesprochenen Wort die volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Der Opener "Nein! Ein Manifest (1)" stellt in einem fast dreiminütigen Monolog die Frage nach dem Sinn von Sprache an sich. Schreibe und sprich nicht um der Sprache Willen, sondern drücke so viel wie irgendwie möglich damit aus. Und hör' auf mit dem eintönigen, Mitleid heischenden Einerlei, das aktuell die Dichtung der Popmusik beherrscht. Das will doch keiner hören. "Jeder Satz muss eine Ameise sein und das Millionenfache des eigenen Gewichts tragen", verkündet Ex-Tatort-Kommissar Charles Brauer, der hier als Sprecher zu Gast ist.

Wer so reflektiert mit der textlichen Gestaltung seines Albums umgeht, läuft schnell Gefahr, musikalisch unterschätzt zu werden. Das ist hier aber in etwa so angebracht, wie vor der Weltrettung noch kurz die Mails checken zu wollen, nämlich gar nicht. Ein bisschen lakonisch-intellektueller Weltschmerz-Pop à la Tocotronic, ein bisschen Post-Grunge-Angeberei, um die Texte zu kontrapunktieren - Locas In Love zeigen auf ihrem fünften Studioalbum, dass sie wissen, wie man tonnenschwere Botschaften federleicht verpackt. Und wenn es gesanglich mal lauter wird, dann hat das Gründe, weibliche Gründe. Die Verwunderung über den Titelnamen "Nimm mich als Bett" verschwindet mit den ersten Tönen dieser wunderschönen Liebeserklärung sofort wieder. "Wenn ich ein Maler wär', würd ich Dich malen, so wie ich Dich sehe / Damit alle wissen, wie schön Du für meine Augen bist."

Die Auseinandersetzung mit Belanglosigkeiten in Pop-Texten setzt sich im Beinahe-Titeltrack fort: "Nein" beschreibt die vielen schlechten Angewohnheiten einiger Poppoeten, deren Texte ausschließlich Rhythmus und Melodie dienen, denen egal ist, was sie singen, solange sie dies laut und mit möglichst vielen Übertreibungen tun. Aber auch wenn diese etwas radikale Einstellung so wirken könnte: die Kölner verweigern sich der musikalischen Dramaturgie und Theatralik keineswegs. Das Cello, das die Bridge von jenem "Nein" ziert, könnte genauso gut eine tropfend schnulzige Liebesgeschichte untermalen - hier setzt es lediglich Akzente in einem ansonsten angenehm reduzierten Sound.

Vielleicht liegt das Geheimnis darin, textlich konsequent etwas anderes zu machen, als die Musik es nahelegen würde. Locas In Love sind Querdenker - das zeigt sich auch daran, dass "Nein!" nur als Download oder als Vinyl mit MP3-Gutschein erscheint, nicht aber als CD. Generell scheint Locas In Love der Pop-Konsens zu einfach zu sein. Wo andere Bands unterschwellig-metaphorische Doppeldeutigkeiten basteln, geht das Trio schon wieder einen Schritt zurück und will nüchtern berichten, um wiederum das Besondere in den beschriebenen Alltäglichkeiten zu suchen. "Das ist keine Metapher / Es ist einfach passiert", singt Björn Sonnenberg im ansonsten doch vieldeutigen "Alte Katze", und das psychedelische Soundgewabere von "Nein! Nein! Nein!" kommt sogar ganz ohne Gesang aus. Der Text des Albumintros wird, als Song verpackt, in "Vs. Kong" noch einmal rezitiert. Dieser Song hätte schon auf dem Vorgängeralbum "Lemming" erscheinen sollen, was aus unbekannten Gründen aber nicht passiert ist. So entwickelte er sich als Vorab-Downloadtrack zum Publikumsliebling auf Konzerten und stellt laut Band den Kern des Albums dar, ist aber nicht der einzige Song, der bereits während der Aufnahmen zu "Lemming" entstanden ist. Das durchweg hohe Niveau der Songs tröstet über die geringe Zahl an auffälligen Highlights hinweg. Aber wollen wir von Locas In Love denn eine Platte voller Hits? Nein!

(Konrad Spremberg)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Nein
  • Nimm mich als Bett
  • Geister

Tracklist

  1. Nein! Ein Manifest (1)
  2. Nein
  3. Bushaltestelle
  4. Alte Katze
  5. Ich hab mich schrecklich benommen
  6. Thank you Stefanie
  7. Nimm mich als Bett
  8. Geister
  9. Wenn du wirklich wissen musst
  10. Nein! Nein! Nein!
  11. Vs. Kong
  12. Nein! Manifest
Gesamtspielzeit: 41:45 min

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