The Decemberists - We all raise our voices to the air (Live songs 04.11 - 08.11)
Rough Trade / Beggars / IndigoVÖ: 16.03.2012
Vollständig unkomplett
Eine Best of? Wäre für The Decemberists ein arg einfältiges Unterfangen angesichts ihrer ausladenden Konzeptwerke, die todgeweihte Königinnen und lüsterne Waldgeister herumspuken lassen oder japanische Volksmärchen adaptieren. Nach dem vergleichsweise schlichten Folkrock von "The king is dead" sitzt Bandchef Colin Meloy nun sogar an einem Musical - und hegt anscheinend weiterhin Ambitionen, die sich eben schwerlich mit einer schnöden Hit-Compilation abbilden ließen. Ein Live-Album? Wäre für The Decemberists ein arg unvollständiges Unterfangen eingedenk ihrer theatralischen Shows, bei denen die Mitglieder auf der Bühne in verschiedene Rollen schlüpfen und zuweilen eher an eine hyperaktive Schauspieltruppe als an eine Rockband erinnern. Aber was soll's - sie haben es trotzdem getan. Danke dafür.
Meloy wird es herzlich egal sein, ob man ihn als musikalischen Frontmann oder bühnenwirksamen Impresario sieht - Hauptsache, die Selbsterkenntnis "I was meant for the stage" gilt nicht nur auf dem 2003er Album "Her majesty, The Decemberists". So oder so musste etwas geschehen, damit das Quintett nicht ganz sang- und klanglos von der Bildfläche verschwindet: Schließlich hatte Meloy zuletzt nach der Krebserkrankung von Keyboarderin Jenny Conlee eine längere Pause angekündigt. Die Lösung: dieses aus elf Auftritten der letzten US-Tour zusammengestellte Doppelalbum. Kein Programm mit Vollständigkeitsanspruch, mehr subjektiver Querschnitt denn stringente Live-Dokumentation. Kein konserviertes "Hach, war das schön", sondern ein affirmatives "Mann, sind die gut".
Der Titel ist dabei nicht nur eine Beschreibung für diesen himmelsstürmenden Indie-Folk, sondern vor allem eine Zeile aus dem Auftakt "The infanta": Flink wirbeln die Drums, geschwind schrummeln die Gitarren, freches Gefiedel und Gebläse überall - man muss nicht einmal die Augen schließen, um Arcade Fire mit Strohhut und Grashalm im Mundwinkel vor sich zu sehen. Und so setzt es neben gefühligen Dramen, Selbstmörderballaden und Weltuntergangsphantasien auch jede Menge gute Laune. Schlagzeuger John Moen bekommt eine Jodeleinlage, das Publikum darf beim brillanten "The mariner's revenge song" einen kollektiven Entsetzensschrei ausstoßen, und dass an einem Auftrittsort irgendwo ein paar Straßen weiter zur gleichen Zeit Keith Urban spielt - darüber amüsiert sich Meloy genauso wie der Hörer über diese 20 Songs.
Allen voran über den getriebenen Streicherrocker "We both go down together", deren Protagonisten trotz ihrer Lebensmüdigkeit die ganze Welt zu umarmen scheinen. Die drei auf Platte getrennten "The crane wife"-Parts sind hier endlich glücklich vereint, und nur "The rake's song" bedenkt ruppig das ansonsten ausgesparte Album "The hazards of love". Stattdessen datiert rund die Hälfte der Stücke von 2005 oder früher - ein Indiz dafür, dass The Decemberists wahrscheinlich eine der besten, bestimmt aber eine der zeitlosesten Bands seit der Jahrtausendwende sind. Manch einer mag noch die Hits "Sixteen military wives" und "The perfect crime 2" als große Abwesende beklagen - doch wie eingangs erwähnt wäre hier eine Best of eben ein arg einfältiges Unterfangen. Diese 120 Minuten jedoch sind eine reine Freude.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The infanta
- We both go down together
- The rake's song
- This is why we fight
- The mariner's revenge song
Tracklist
- CD 1
- The infanta
- Calamity song
- Rise to me
- The soldiering life
- We both go down together
- The bagman's gambit
- Down by the water
- Leslie Ann Levine
- The rake's song
- The crane wife 1, 2 and 3
- CD 2
- Oceanside
- Billy Liar
- Grace Cathedral hill
- All arise!
- Rox in the box
- June hymn
- Dracula's daughter > O Valencia!
- This is why we fight
- The mariner's revenge song
- I was meant for the stage
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