Enno Bunger - Wir sind vorbei

PIAS / Rough Trade
VÖ: 09.03.2012
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Mensch in Moll

"Wir sind vorbei" beginnt am Ende: Die ersten zwei Stücke lang hat man bei Enno Bungers zweitem Album gar nicht das Gefühl, in einen zehn Songs starken Nachklang einer intensiven Trennungsgeschichte geraten zu sein. Zu halb melancholischem, halb beschwingtem Klavier-Pop singt Bunger in "Blockaden" davon, wie frei er sich fühlt und wie sich jene Blockaden auflösen. Dann erblühen in "Euphorie" die Bläser und Background-Chöre zu üppigen Arrangements, der Sänger zitiert gleich in der ersten Strophe Hesses Zauber, der jedem Anfang inne wohnt, und überhaupt klingt alles nach abgefallener Last und wiedergefundenem Lebensmut. Dann aber kommt "Regen", und "Wir sind vorbei" zeigt sich als das, was es nun einmal ist: ein Trennungsalbum.

Der Song offenbart eindrucksvoll, wozu ein Norddeutscher mit wundem Herzen fähig ist: Mit ruhiger, trauriger Stimme singt Bunger von dem Moment, in dem das Zerbrechen der Beziehung plötzlich nicht mehr aufzuhalten ist, in dem die Risse zwischen den Personen sichtbar werden. Dazu schwellen Klavier und Postrock-Effektrauschen immer weiter an, bis sie im Höhepunkt das Stück tosend wehen, während Bunger für den Augenblick des Schocks und der Haltlosigkeit den einen, richtigen Satz findet: "Wenn man die Augen zumacht / Klingt der Regen wie Applaus" wiederholt er immer wieder, um dann final nachzusetzen: "Und die Tür, die gerade zufällt / Hörst Du die auch?"

Ab hier offenbart sich "Wir sind vorbei" als Trennungs-Mosaik, das die vielen verschiedenen Gefühle und Stadien einer zerbrechenden Beziehung verarbeitet: Im folgenden "Abspann" ist es eine reflektierte Traurigkeit, ein Rückblick auf die gemeinsame Zeit, während das eigentliche Ende der Beziehung doch gerade noch wie ein Film abläuft, dessen Hauptfiguren von nun an getrennte Wege gehen. In "Leeres Boot" sind es dann das Vermissen und die Sehnsucht nach einem guten Gefühl, die in der einfachsten und notwendigsten Erkenntnis gipfeln, die Bunger erst hier, zur Hälfte des Albums, auszusprechen wagt: "Du fehlst hier." Dass man darin wie auch in vielen anderen Stücken geradezu schwelgen möchte, liegt daran, dass bei Bunger als ausgebildetem Kirchenorganist das Pompöse und Feierliche ganz natürlich zur Schwermut finden.

Leider ziehen "Roter Faden" oder "Die Flucht" das Tempo an, zackiger Indierock fordert seinen Tribut von der Melancholie, und auch die Gefühle werden vager und oberflächlicher. Einmal wird es noch besinnlich, "Ich möchte noch bleiben, die Nacht ist noch jung" ist ein zartes, optimistisches Duett mit Alin Coen. Gern hätte man aber mehr von Bungers anderer Rolle gehört: dem sensiblen Ostfriesen mit der durchnässten Seele und dem Küstennebel vor den Augen und auf der Leber, der sich am Klavier den Schmerz vom Leib wäscht. Doch es hilft nichts: "Mit dem latent spacigen "Der Astronaut" ist die Heilung da, das instrumentale "Präludium" entlässt den Hörer in optimistischer Stimmung in die Zukunft - und doch hallt nach dem Fade Out noch eine Minute lang ein Akkord immer wieder nach. So ganz sind zwei eben nie vorbei, die lange eins waren.

(Dennis Drögemüller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Regen
  • Abspann
  • Leeres Boot

Tracklist

  1. Blockaden
  2. Euphorie
  3. Regen
  4. Abspann
  5. Leeres Boot
  6. Roter Faden
  7. Die Flucht
  8. Ich Möchte Noch Bleiben
  9. Die Nacht Ist Noch Jung
  10. Ein Astronaut
  11. Präludium
Gesamtspielzeit: 42:59 min

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