Breton - Other people's problems
Fat Cat / Rough TradeVÖ: 30.03.2012
Im Plan
Sollte Kommissar Zufall jemals ein Gesicht bekommen, er würde es wohl von Breton aus England erhalten. Samt Outfit, Verhalten und Soundtrack zum Trenchcoat. Die Fälle kämen auf und würden gelöst. Wie, weiß dann niemand so recht, aber es gelänge. Alle Geschichten rund um das britische Quintett Breton sind so gesegnet vom Zufall, dass eigentlich schon ein Plan dahinterstecken muss. Breton drehen eigentlich Videos, auch für andere Künstler, sie machen Kurzfilme und wollten diese in London zeigen. Weil Locations fehlten, behaupteten sie, eine Band zu sein, brachten einen Projektor mit, zeigten ihre Filme, spielten die Musik live dazu, Blogger schrieben darüber, Besucher wollten die Songs kaufen, und ehe sich Breton versahen war, ohne je den Hauch eines Demotapes verschickt zu haben, war die erste EP auf dem Markt. Und nun folgt das Album.
Ein Album, das seinen Titel "Other people's problems" einer zufällig aufgeschlagenen Seite eines Andy-Warhol-Buchs zu verdanken hat. Es ist eine Platte, dessen Ausgangspunkte klangmalerischer Ausdruck gegenwärtiger Kulissen sind - in "Pacemaker" rattert beispielsweise eine U-Bahn durch mit Streicherkaskaden gefüllte Minuten. Darauf bauen die Ideen der Mitglieder auf, oft nur Bruchstücke, einzelne Sequenzen und Samples - es fügt sich dann zusammen, und so entstehen zufällige und doch geplante Tracks. Denn Breton balancieren nicht nur Visualisierung und auditives Erlebnis aus, sie drehen jeden Song auch mindestens einmal auf links und schießen in einen Song auch mal so viel Material wie andere Bands in ein ganzes Album. Anders gesagt: So interessant wie Breton nach ihrer Gründung 2010 jetzt schon sind, wird Skrillex nie werden.
"Other people's problems" zerhackt Pop, fummelt ganz viel in HipHop-Beats und Rhythmiken herum, und unruhige wie ungerade Synthie-Effekte legen filtergemorphte Bässe übers Knie - nebst Klangkulissen und Klangkörpern. "Governing correctly" groovt unwiderstehlich, "Wood and plastic" zwirbelt mal eben einen großen Foals-Song herbei und "Interference" hat vor seiner Drumbeat-Bridge schon brazzige Filter und Postrock-Gitarren zusammengewürfelt. Wohlgemerkt wirkt das stimmig von vorne bis hinten. Selbst in den ruhigen Momenten der entschleunigenden Samples in "2 years" oder in der sphärischen Trip-Hop-Breakbeat-Electro-Ballade "The commission".
Aufgenommen im Studio von Sigur Rós, gelingt es dem Album gar, an sich abschreckenden Sequenzen ein Auffangnetz zu gewähren. "Oxides" sollte trotz verzerrtem Gesang sogar streckenweise den Homies von Kanye West gefallen. "Jostle" drangsaliert zunächst ein Kuhglocke und zieht weg in die Abgründe der Dancemusik, wo Teenies zwischen Promille und Dorfrave Tribals auf ihr Auto kleben. Kein guter Start also - dann ist man wenige Sekunden später aber von Gitarren umgeben, die seicht durch die Atmosphäre schneiden, einen Stopp einlegen für eine Akustikaufnahme in Mono und letztlich inmitten 40 Sekunden lang voll knarzend-brachialem Indierock mit aggressiver Punk-Mentalität. Da hat Kommissar Zufall fast ein Meisterwerk gefunden. Und er ist ganz nah dran.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Edward the confessor
- Wood and plastic
- Governing correctly
- Jostle
- The commission
Tracklist
- Pacemaker
- Electrician
- Edward the confessor
- 2 years
- Wood and plastic
- Governing correctly
- Interference
- Ghost note
- Oxides
- Jostle
- The commission
Referenzen
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