
Frankie Rose - Interstellar
Memphies Industries / IndigoVÖ: 23.03.2012
Elektrisches Gefühl
Girl Pop. Selten hat ein in die musikalische Runde geworfener Begriff mehr Schaudern verursacht. Pop, bah, und dann auch noch von Mädchen, widerlich! Die Britneys und Christinas sind mittlerweile sowieso Schnee von vorgestern, die Rihannas und Gagas machen auch nur die Madonna (im Singular) nach und von den ganz und gar klebrigen Katys und Konsorten lassen wir eh die Finger weg, die sind nur schlecht für die Zähne. Aber ist das wirklich Girl Pop? Natürlich nicht. Vielmehr geht es um die rotzfrechen Mädchen, vor denen man in der Schule immer ein bisschen Angst hatte und mit denen trotzdem jeder Junge mal die Zeit seines Lebens ... nun ja, überstehen wollte. Laut mussten sie sein, dreckig, furchtlos und zornig. Die neue Girl-Pop-Bewegung der letzten Jahre wurde beschallt von den Dum Dum Girls und den Vivian Girls, zwei Mädchenkombos, die sich auf der Bühne auch mal die Hände schmutzig machten. Und beide hatten sie eine gemeinsam: Frankie Rose.
Genau jene Frankie Rose, die auch schon bei Crystal Stilts ihr Unwesen trieb und sie alle miteinander verlassen hat. Und eben auch jene Frankie Rose, die 2010 eher unbemerkt das gewaltige selbstbetitelte Debüt ihrer Band Frankie Rose And The Outs veröffentlicht hat. Nun also "Interstellar", und die Outs hat das Mädchen, das sonst einfach immer alle verlassen hat, vor die Tür gesetzt. Was auch nur zur Hälfte stimmt, denn eigentlich ging es ohnehin immer nur um sie. Aber wen kümmert es schon, wenn die Wahrheit auf eine so entzückende Weise wie hier etwas verzerrt wird? Laut ist sie jedenfalls nicht, die Stimme bleibt dem Hörer dennoch nach kurzer Zeit bereits weg. Oder ist sie das, die berühmte Sprachlosigkeit? Das beginnt schon beim titelgebenden Opener, der so eiskalt startet, dass man die kühle Brise förmlich spüren kann. Wie aus dem Nichts bricht der Sturm los, der die Synthesizer mit heftigen Trommeln zunächst ablöst und schließlich miteinander verschmelzt.
Geradezu fantastisch wird es auf "Apples for the sun", das klingt, als sei es in einem fernen Raum-Zeit-Kontinuum auf einem anderen Planeten aufgenommen worden. Ohnehin scheinen Zeitreisen für Rose kein Problem zu sein; zu locker gehen ihr wahrhaftige 80er-Jahre-Hymnen wie das new-wavige "Daylight sky" von der Hand, zu schön klingen zeitlose Balladen wie "Pair of wings" mit Textstellen wie dem sich wiederholenden "Show me your scars / I'll show you mine". Wieder tanzbarer wird es auf "Had we had it", dessen Rhythmus sich bald dem Herzen anpasst - oder andersrum. Zum Finale mit "The fall" ist dieses regelrecht elektrisierende Gefühl, das der Hall in Roses Stimme erzeugt und mitunter trägt, fast stärker da als zuvor. Spätestens jetzt wird klar, dass das hier mit dem ursprünglichen, dem rauen, dem kratzbürstigen Girl Pop natürlich nichts mehr zu tun hat. Das hier ist die geballte Form des schönsten Pops, wie sie nur ein Mädchen erzeugen kann, das den Dreck noch unter den eigenen Fingernägeln spüren kann, obwohl er längst nicht mehr da ist.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Interstellar
- Daylight sky
- Pair of wings
- Night swim
Tracklist
- Interstellar
- Know me
- Gospel / Grace
- Daylight sky
- Pair of wings
- Had we had it
- Night swim
- Apples for the sun
- Moon in my mind
- The fall
Im Forum kommentieren
saihttam
2015-04-30 01:19:38
Hat eigentlich noch jemand den Nachfolger Herein Wild gehört? Ebenfalls ganz nett, aber auch nicht großartig anders als Interstellar und dazu noch mit weniger Hits. Trotzdem gefällt sie mir solo noch am besten im Vergleich zu ihren anderen Projekten. Wobei ich da jetzt auch nicht jedes Album kenne.
musie
2012-04-12 17:45:11
das ist aber top. und die 2 ein riesenohrwurm.
saihttam
2012-03-19 15:47:23
nette platte für den frühling. 7/10 punkte von mir bisher.
Monsterspecht
2012-02-22 18:47:50
Ist gar nicht so jangly, erinnert von der Grundstimmung eher an frühe New Wave.
Monsterspecht
2012-02-22 18:21:32
Die letzte fand ich ja insgesamt nicht so dolle, mal in die neue reinhören.
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