Gazpacho - March of ghosts

K-Scope / Edel
VÖ: 16.03.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Alle Wege offen

Es ist nur ein kleiner Schwenk in ihrer Form der Narration, aber ein bedeutender für Ihre Songgerüste und -längen. Auf den Vorgängern "Tick tock" und "Missa Atropos" erzählten die Norweger Gazpacho jeweils eine einzige, große Geschichte in teils sehr langen, mäandernden Stücken. Auf ihrem nunmehr siebten Studioalbum wird diese Erzählstruktur etwas aufgebrochen und dadurch fragmentarischer, aber auch fokussierter. Die Geister, von denen diese Platte handelt, besuchen den Protagonisten im Laufe einer Nacht und erzählen ihm ihre Geschichte. Unter den Besuchern befinden sich unter anderem die auf mysteriöse Weise verschollene Crew des Handelsschiffes Marie Celeste, ein Veteran aus dem Ersten Weltkrieg oder auch der Geist eines haitianischen Kriegsverbrechers. "March of ghosts" besteht folglich aus lauter Kurzgeschichten, die mehr oder weniger in der Person des Protagonisten zusammenfinden.

Immer noch hat also die narrative Kraft von Gazpachos Texten den Vorrang vor irgendeiner Form von Pop. Wirkliche Refains existieren nur in der eigenen Vorstellung, und auch wenn die Songlängen eingedampft wurden und kaum ein Lied die Sechs-Minuten-Marke überschreitet, ist das lange noch kein Grund für Gazpacho, die kürzeren Songs in traditionelle Strukturen einzubetten. Im Grunde unterscheidet sich "March of ghosts" musikalisch nicht allzu drastisch von den Vorgängern. Lediglich ausladende, große Gitarrenwände finden sich kaum mehr im Universum dieser Band. Und wenn man einmal ehrlich ist, kann man wahrscheinlich nicht immer blind behaupten, auf welchem Album oder in welchem Song von Gazpacho man sich gerade befindet. Die Übergänge zwischen den Platten und Songs sind so fließend, dass man sie kaum mehr auseinanderhalten kann.

Obwohl oder vielleicht gerade weil der Schuster bei seinen Leisten bleibt, ist auch "March of ghosts" ein atmosphärisch dichtes, gelungenes und in seinen zentralen Momenten wunderschönes Album geworden, an dem Steven Wilson wahrscheinlich große Freude haben dürfte. Besonders die kleinen musikalischen Ausreißer machen den Art-Rock von "March of ghosts" zu etwas Besonderem. In "Mary Celeste" ist es der kaum wahrnehmbare Seefahrer-Einschlag und gen Ende ein Ausritt ins Irisch-Keltische, mit dem auch "Hell freezes over II" dienen kann. In "Gold star" sind es die schwer vor sich hin trottenden Bläser, "What did I do?" hingegen lebt vor allem von seiner durch und durch deprimierenden Geige, während die Geschichte der mystischen Figur des "Golem" einen leicht orientalischen Touch erhält. "March of ghosts" könnte damit elementar für den zukünftigen Weg von Gazpacho sein, denn die Band hat sich weitere Türen geöffnet, durch die sie in Zukunft gehen könnte. Die sechs Norweger müssen diese Wege einfach nur beschreiten. Auf, auf!

(Kai Wehmeier)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Mary Celeste
  • What did I do?

Tracklist

  1. Monument
  2. Hell freezes over I
  3. Hell freezes over II
  4. Black lily
  5. Gold star
  6. Hell freezes over III
  7. Mary Celeste
  8. What did I do?
  9. Golem
  10. The dumb
  11. Hell freezes over IV
Gesamtspielzeit: 50:17 min

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum