The Saddest Landscape - After the lights
Topshelf / SoulfoodVÖ: 17.02.2012
Allein zu viel
Wie nur können wir wegkommen von dem schnöden Klischee, dass Leid Großes schafft? Wie streifen wir den Wunsch ab, das neue Lebensglück der eigenen Lieblingskünstler ausradieren zu wollen, damit sie sich daraus nähren und uns davon erzählen? Wie die Missgunst überwinden, die einen überkommt bei der Nachricht von der überstandenen Sucht, der erfolgreichen Therapie, der Hochzeit, der Geburt des Nachwuchses der Licht dahin bringt, wo man sich weiter Dunkelheit wünscht? So überfrachtet und naiv der Glaube auch ist, dass Schlechtes gerne mal große Kultur hervorbringt, wir wünschen uns unsere Künstler auf skurrile Weise gerne kaputt, runtergehungert vom Leben und geschunden bis auf die Knochen.
Der Screamo von The Saddest Landscape erzählt seine eigene Geschichte von der geistigen Dämmerung, wenn die eigene Ohnmacht alle Souveränität platt macht, und das "Ich-weiß-auch-nicht" das "Ich-muss-nur-wollen" ins rechte Licht rückt. Diese Quälereien mit dem "Ich" und dem "Du", all die Appelle ans "Wir" und ans "eigentlich" werden von Sänger Andy Maddox mit einer Hingabe auf "After the lights" gewuchtet, dass sie schon jetzt die wohl eindringlichsten Gesangsspuren des Jahres hinterlassen.
Diese größte Stärke der vier Burschen aus Boston auf Platte Nummer vier wirft jedoch Schatten auf das Umstehende und genau deswegen schrammt "After the lights" knapp am Meisterwerk vorbei. Die sieben Songs können eigentlich keine Sekunde neben ihrem Sänger Maddox bestehen, denn es bräuchte eine Armee von Band, um gegen dessen Wüten irgendwie anzukommen. Maddox geht bis zum Äußersten und trotzt jedem Vokal eine Intensität ab, als stünde dieser für alle Zeiten allein, verlassen in einer leergeräumten Welt. Auf "After the lights" wird die Ausnahme zu Regel. "The future is ours." Wirklich? Aus seinem Munde wird das zur nackten Drohung.
Es geht schlussendlich nicht mehr um die großen Themen wie Liebe oder Verlust und ebensowenig um irgendwelche einzelnen Songs. Es geht nur noch um Andy Maddox. Diese unerbittliche Selbstbezogenheit ist es, die einen Klassiker hätte hervorbringen müssen. Zumindest, wenn sie mehr gegen sich gehabt hätte als den rundum gelungenen, aber ziemlich geradlinigen Screamo von "After the lights". Aber so bleibt die Gewissheit zurück, dass einiges dran ist an der Künstlergleichung Leid = Leidenschaft. Auf ewig lieber kaputt als langweilig. Und dann runter mit den Manfred Mustermanns von den Bühnen dieser Welt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- This heals nothing
- Desperate vespers
Tracklist
- In love with the sound
- This heals nothing
- The urge for permanence
- When everything seemed to matter
- The comfort of small defeats
- Days of punched in
- Desperate vespers
Referenzen
Spotify
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