Disappears - Pre language
Kranky / Southern / CargoVÖ: 02.03.2012
Weg isser
Thurston Moore und Kim Gordon dürften dumm aus der Wäsche geguckt haben, als eines Tages plötzlich ihr Drummer unauffindbar war. Bleibt zu hoffen, dass die beiden nicht gleich vor Schreck ihre Band auflösen, nachdem sie im Herbst 2011 schon ihre bevorstehende Scheidung bekanntgaben. Dabei ist Steve Shelley nach wie vor amtierender Schlagzeuger bei Sonic Youth - er verschwand nur kurz, um befreundeten Noise-Rockern aus Chicago, die lustigerweise auf den Namen Disappears hören, live unter die Arme zu greifen. Und das muss ihm so gut gefallen haben, dass er nun eben in zwei Gruppen als festes Mitglied trommelt und daher auch auf dem dritten Disappears-Album zu hören ist - unter anderem. Denn im Kern stehen auf "Pre language" mitnichten Personalien, sondern Noise-Rock, der wie schon auf den Vorgängern "Lux" und "Guider" kein bloßer Vorwand ist, um alle Spuren mutwillig mit überrissenem Gedröhne und viel Geschrei zuzuspachteln.
Stattdessen setzt das Quartett auf straff strukturierte Songs, die es trotz aller Übellaunigkeit nie so wild treiben, dass sie in purem Chaos enden. Die Unversöhnlichkeit brodelnden Punkrocks Marke Wipers trifft auf die Komplexität des Post-Hardcore späterer Dischord-Bands, während Shelley das Ganze im Hintergrund mit wuchtigem, stets pointiertem Schlagzeugspiel vorantreibt. Und wer anhand des Albumtitels glaubt, Disappears würden sich auf "Pre language" in eine Art Urschreitherapie begeben, wird schnell eines Besseren belehrt, wenn Frontmann Brian Case mit belegter Stimme bittere Wahrheiten skandiert, die in ihrem blökenden Missmut so oder ähnlich auch Mark E. Smith eingefallen sein könnten. Währenddessen türmen Bass und Drums robuste Rhythmusgebilde auf, und um die Ecke lauern aschfahle Feedback-Schlaufen. Diese dunkelgrauen Lieder kennen ihre Pappenheimer aus Post-Punk, Shoegaze und Krautrock - und springen entsprechend unsanft mit ihnen um.
Doch auch andere Dinge sind erlaubt: "Replicate" etwa gönnt sich direkt zu Anfang einen ausgesprochen infektiös wummernden Sixties-Groove, bis eine grantige Gitarre dem Song Handkantenschläge versetzt - immer auf dieselbe Stelle. Das Titelstück wäre ohne Cases gereiztes Genörgel fast ein lupenreiner Garagenrocker, wohingegen "Hibernation sickness" aus wühlendem Drone-Riffing ein weißes Rauschen destilliert, als würden My Bloody Valentine und frühe The Jesus & Mary Chain gemeinsam den Zahnarztbohrer ansetzen. Doch auch wenn ihnen die Lärmkelle hier und da einmal ausrutscht, bleiben Disappears stets fokussiert und unbeeindruckt - wie eine gleichmütig pulsierende Maschine, die keine Ruhe gibt, bis auch die letzte Illusion zu Feinstaub zermahlen ist. Da kann das hypnotische "Joa" in seinem stoischen Gemalme noch so sehr Zustimmung heucheln und "Love drug" verheißungsvolle Medikation in Aussicht stellen - gemein bleibt gemein. Und großartig. Da helfen keine Pillen. Zum Glück.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Replicate
- Hibernation sickness
- Joa
Tracklist
- Replicate
- Pre language
- Hibernation sickness
- Minor patterns
- All gone white
- Joa
- Fear of darkness
- Love drug
- Brother Joliene
Im Forum kommentieren
The MACHINA of God
2016-02-13 17:44:29
Diese Band ist wieder so eine, die vollkommen an mir vorbeigegangen ist... dabei so gut!
Gordon Fraser
2012-04-03 19:00:23
Famose Scheibe, erinnert mich an Crocodiles' tolles 2010er "Sleep Forever".
e.coli
2012-03-08 01:24:12
Wurde doch bei Pitchfork gar nicht so gut bewertet, wenn ich mich recht erinnere. Zu unrecht, da wirklich eine tolle Platte. Der Opener ist 'ne Granate ...
shitonyou
2012-03-08 01:14:48
warum reißt bisher niemand sein maul zu dieser kleinen, aber feinen platte auf? ich weiß schon warum... pitchie... egal
die vorgänger waren schon gut, mit etwas rauherer produktion, hier gibt's nun die volle breitseite.
gesang klingt in manchen momenten fast exakt nach thurston moore.
man könnte auch hier die 8 zücken. macht spaß die platte.
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Referenzen
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