
Emeli Sandé - Our version of events
Virgin / EMIVÖ: 09.03.2012
Pflicht und Flucht
Was haben Susan Boyle, Cheryl Cole und Leona Lewis gemeinsam? Dumme Frage, die Damen sind allesamt britische Sängerinnen, aber wenn man davon absieht: Alle drei singen Lieder, die Adele für sie komponiert hat. Nicht die Adele natürlich, die neulich ein halbes Dutzend Grammys mit nach Hause schleppen durfte, sondern Adele Emeli Sandé, bisher grammylose Ex-Medizinstudentin aus Schottland. Als Songwriterin bereits etabliert, sprang diese mit ihrem ersten Solotrip jüngst geradewegs an die britische Chartspitze - ohne den schon besetzten Vornamen, aber mit einigem mehr als den Schmalzstullen, die ihre Kundinnen meist geschmiert bekommen. "Our version of events" enthält einerseits durchaus das obligatorische Pflichtprogramm: "Maybe" klingt, wie es von einer Dosenstreicher-Ballade anno 2012 eben erwartet wird. Ein Hall-Monster wie "River" wiederum ist der gemeinen R'n'B-Sängerin offenbar, was dem Hip-Hop-Checker sein Goldkettchen: Irgendwo findet es immer noch Platz - selbst im Vorprogramm von Coldplay, wo Emeli Sandé eine zumindest auf den ersten Blick überraschende Heimat gefunden hat.
Andererseits schert Frau Sandé sich aber nicht immer darum, wie sie eigentlich klingen sollte. Am besten ist sie nämlich eben dann, wenn sie das R'n'B-Gesetzbuch einfach mal in die Ecke pfeffert: Schon der Opener "Heaven" ist mit nervösem Trip-Hop-Beat und Bläser-Einwürfen genau die kühle, vorwärtsgerichtete Single, an der Rihanna des öfteren scheitert, "Daddy" funktioniert mit ähnlichen Mitteln fast genauso gut: ein Stück, so messerscharf rasiert wie Sandés blondierte Schläfen. Auch das Akustik-Kleinod "Breaking the law" kann die standesgemäß schillernde Verwandtschaft, "Clown" zum Beispiel, locker ausstechen - gerade weil es auf jegliches instrumentales Bling Bling verzichtet.
Genug Positives also, das ausreicht, um manchen etwas schnarchnasigen Moment geflissentlich zu überhören: "Suitcase" erfüllt so ziemlich alle Midtempo-Klischees? "Hope" kann den unüberhörbaren Alicia-Keys-Ambitionen nicht gerecht werden? Na gut. Kaum schaltet man ein paar Tracks weiter, schon schießt ein hämmernder Klaviergroove von den Ohren in die Beine, und die Soul-Dampfwalze "Next to me" macht fast alles wieder gut. Kein Zweifel: Emeli Sandé hat als Songwriterin das gewisse Ohrwurm-Gen und eine Menge Training. Auch dass sie als Sängerin ihre pophistorischen Hausaufgaben erledigt hat, glaubt man sofort - kaum ein weibliches Mitglied der Black-Music-Entourage, das nicht hier oder dort als Einfluss durchschimmern würde. Was dabei herauskommt, wenn dem Pflichtprogramm hoffentlich bald die wagemutigere Kür folgt? Nicht nur den Punktrichtern gibt "Our version of events" einigen Grund zu freudiger Erwartung.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Heaven
- Breaking the law
- Next to me
Tracklist
- Heaven
- Where I sleep
- My kind of love
- Daddy
- Mountains
- Clown
- Maybe
- Suitcase
- Breaking the law
- Next to me
- Lifetime
- Hope
- River
- Read all about it (pt III)
Referenzen
Spotify
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