The Menzingers - On the impossible past
Epitaph / IndigoVÖ: 17.02.2012
Zeilen der Zeit
Der erste Eindruck ist oftmals entscheidend. Ein Händedruck kann uns ein Gegenüber sympathisch machen. Ein Blick genügt, und zwei Menschen verlieben sich ineinander. Die eröffnenden Gitarrenakkorde von "Smells like teen spirit" machten Nirvanas "Nevermind" schon nach wenigen Sekunden zum Meisterwerk. Was soll man aber von einem Album halten, das mit den genüsslich vorgetragenen Worten "I’ve been having a horrible time" beginnt? Klingt zunächst einmal wenig schmackhaft. Doch selten ist vorschnelles Urteilen fataler als beim dritten Album von The Menzingers aus Pennsylvania. "On the impossible past" ist nicht nur das Album, mit dem sich das Quartett stilistisch endgültig aus der Punk-Schublade der Anfangstage herauszwängt – es vermag dabei auf mehreren Ebenen zu überraschen.
Denn auf dem neuen Longplayer ist eine Band zu hören, die voller Selbstvertrauen in alle Richtungen greift und auch mal die stereotypen Punkrock-Pfade verlässt. Gleichzeitig verleugnen The Menzingers ihre Herkunft aber keineswegs. So feuert "On the impossible past" selbst in den leiseren Momenten aus allen Zylindern und lässt keine Gelegenheit für einen starken, eingängigen Refrain aus. Müsste man jedoch die größte Stärke des Albums benennen, so kommt man an den Songtexten nicht vorbei. Denn es ist vor allem der Cocktail aus Selbstmitleid, sozialkritischem Spott, lyrischen Anspielungen und düsterem Zynismus, der "On the impossible past" von einem guten zu einem richtig starken Album macht.
In den besten Momenten auf dem neuen Longplayer ergeben musikalische Weiterentwicklung und anspruchsvolle Lyrik ein perfektes Miteinander. "Gates" ist einer dieser Höhepunkte. "It’s not hard to fall for a waitress / When you both smoke the same cigarettes", sinniert Tom May über die Berechenbarkeit von Liebe und Leben, während sanfte Gitarrenlinien den Untergrund bilden. "I’m marching up to your gates tonight / To throw my lonely soul away / Cause I don’t need it, you can take it back", lautet die Trotzreaktion im gediegen rockenden Refrain. Dem gegenüber steht mit "The obituaries" eine kaum minder großartige Streetpunk-Hymne voller urbaner Endzeit-Poesie: "I cursed my lonely memory / With picture-perfect imagery / Maybe I’m not dying / I’m just living in decaying cities".
Diese beiden Songs stehen sinnbildlich für den Reichtum, den "On the impossible past" in sich birgt. Die baumstammdicken Akkorde von "Ava house" reißen ebenso mit wie die Garagenrock-Jugenderinnerung "Sun hotel" oder das toll arrangierte "Nice things". In "Sculptors and vandals" verwandelt sich sanftes Akustik-Geschrammel im Refrain in zündenden Punkrock. Es gibt auf dem Album zahlreiche Momente, die zum Besten zählen, was das Genre in den letzten Jahren hervorgebracht hat. In gewisser Weise ist "On the impossible past", irgendwie passend zum Titel, ein zeitloses Album. Ein dickes Ausrufezeichen einer jungen Band, die gewiss das Potenzial in sich trägt, um etwas ganz großes auf die Beine zu stellen. Gut, dass der erste Eindruck eben doch nicht alles ist.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The obituaries
- Gates
- Ava house
- Nice things
Tracklist
- Good things
- Burn after writing
- The obituaries
- Gates
- Ava house
- Sun hotel
- Sculptors and vandals
- Mexican guitars
- On the impossible past
- Nice things
- Casey
- I can’t seem to tell
- Freedom bridge
Im Forum kommentieren
eric
2016-05-04 12:00:48
Ja, der Nachfolger hatte leider nur drei, vier gute Songs.
Hollowman
2016-05-04 11:47:01
Grade nach längerer Zeit mal wieder gehört. Passt perfekt zum endlich einsetzenden Frühlingswetter :-)
Gates immer noch großartig (war glaub ich auch mein Song des Jahres 2012). Vor allem mit The Obituaries, Casey, Sun Hotel und Mexican Guitars weitere tolle Songs. Nur Ava House fällt ab. So steht unterm Strich eine 8/10. Der Nachfolger war leider nicht annähernd so gut.
Ralph
2014-01-05 21:02:32
Wenn der Song "The Shakes" von der Split mit den Bouncing Souls ein Indikator ist, wird das neue Album wieder ein Meisterstück.
chucky
2012-10-08 15:07:20
On The Impossible Past war für mich solange die Beste Platte des Jahres aus dem bereich, bis ich die Apologies, I Have None-Platte gehört habe, die den Menzingers ganz schön den Rang ablaufen und es verdient hätten groß rauszukommen!
Tyler
2012-10-08 10:24:53
So, so schön. Im laufenden Jahr die bislang beste Platte in diesem Bereich. Leg sie immer mal wieder rein und es haut mich auch immer mal wieder um. Gestern war so ein Tag, die vielleicht letzten Sonnenstrahlen des Jahres eingefangen und dazu "Mexican Guitars" gehört, großartig, diese Melancholie.
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