Alcest - Les voyages de l'âme
Prophecy / SoulfoodVÖ: 06.01.2012
Eine Glaubensfrage
Weitergehen, bitte. Hier gibt es nichts zu sehen. Einige Kollegen aber schätzen das ganz anders ein. Vielerorts nämlich wird die neue Platte von Alcest "Les voyages de l'âme" abgefeiert. Trotz manch gutgemeinter Ratschäge zum Songwriting sind schlussendlich alle schwer angetan. Und auch die Szeneinstitution Powermetal.de und wir kommen wohl wieder mal nicht zusammen. Allerorten ist man sich einig, dass Mastermind Neige, der ansonsten mal bei den ungleich streitbareren Peste Noire werkelte, ein herrliches Album zusammengeleimt hat. Angeblich finden sich auf dem Album Shoegaze und Black Metal nahe der Perfektion, ganz ohne Kitsch.
Bilde sich doch einfach jeder selbst ein Urteil. Erster Vorschlag: Den Titeltrack anhören. Man beachte vor allem die letzten zwei Minuten. Klingelt's? Die Neue von Mono? Fast. Kleiner Tipp: Es ist ein Filmsoundtrack gemeint. Von Disney. Der König der Löwen? Treffer! Sicher, jeder kann ja von der Aufrichtigkeit von "Les voyages de l'âme" halten, was er will. Aber in welcher Welt bitte soll diese Reise in ein wundersames Feenland, mit diesen Melodien, diesem Artwork und dieser Ernsthaftigkeit nicht gnadenlos schwülstig sein? Mitunter wirkt es, als würde die Wehmut die heimischen Lautsprecher verkleben, so naheliegend und cheesy gerät auch "Nous sommes l'émeraude".
Das tranige Pathos, das die erste Hälfte des Albums förmlich erdrückt, gerät umso ärgerlicher, weil zwei Songs zeigen, wo die Reise hätte hingehen müssen: Das strahlende und abwechslungsreiche "Faiseurs de mondes" wandert über dem Nebel und bietet einen beeindruckenden Ausblick auf die Möglichkeiten, aus denen Neige schöpfen könnte. Auch das geradlinige und rockige "Summer's glory" wird einem nie zu viel. Der Ausgangspunkt von Alcest ist insgesamt nicht schlecht gewählt. Da stimmt die Chemie zwischen dem Black-Metal-Gebolze und der Melancholie des Shoegaze. Um aber wirklich die Fehltritte der ersten Hälfte vergessen zu machen, müsste sich "Les voyages de l'âme" viel deutlicher zum Lärm als Spielverderber bekennen, der noch aus dem Vorgänger "Écailles de lune" ein starkes Album gemacht hat.
Im besten Falle nämlich gelingt es Neige, zwischen den ausladenden Gesten mehr als ein Gitarrenriff zu verstecken, das durch Mark und Bein geht. Was jedoch in den gelungenen Passagen noch wundersame Weltflucht ist wie die Lektüre von Tolkien, wirkt in den schlechten nur noch brav und sedierend. Manchmal ergehen sich Alcest auf "Les voyages de l'âme" in ziemlich miefigem Kitsch. Mit dem Album ist es offenbar wie mit der Homöopathie: So lange verdünnen, bis keine Rückstände des eigentlichen Krankmachers mehr vernehmbar sind. Und dann gilt es, dran zu glauben.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Faiseurs de mondes
- Summer's glory
Tracklist
- Autre temps
- Là où naissent les couleurs nouvelles
- Les voyages de l'âme
- Nous sommes l'émeraude
- Beings of light
- Faiseurs de mondes
- Havens
- Summer's glory
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VelvetCell
2023-08-29 21:08:26
5/10 ist wirklich ein Witz. Das war damals vermutlich einfach der falsche Rezensent, der mit dieser musikalischen Richtung vermutlich nicht viel anfangen kann. Autre Temps nicht in den Highlights? Das sagt viel aus.
Aber nichts für ungut. Außerdem haben sich ja schon genügend Leute echauffiert. Zeit, das Album mal wieder aufzulegen. Danke, Glufke, für den Impuls.
Glufke
2023-08-29 20:15:34
Geschmäcker sind ja verschieden, aber 5/10 hierfür sind schon ein Witz.
Immer, wenn ich Bock auf Shoegaze habe, lande ich am Ende doch wieder bei diesem Album, das Melodien, Pathos und Härte nahezu perfekt verbindet.
666
2018-07-15 16:05:18
metal auf plattentests wird zu 100 prozent nichts.je schlechter das album hier wegkommt umso besser ist es.
555
2018-07-15 12:54:04
WTF. Gerade gesehen das dass Album hier mit 5/10 bewertet wird. Subjektivität hin oder her, aber dass ist ein echtes Argumtszeugnis. Auf RYM übrigens #21 für 2010 und Pitchfork 8.4.
Corristo
2016-09-24 10:59:47
Unglaublich, dass das hier mit 5/10 abgestraft wurde. Das Album verbindet Romantik, Glückseligkeit, Leichtigkeit, Schwermut, Depression und Härte auf eine so erfrischende und natürlich wirkende Weise, manchmal in einem einzigen Song und über das ganze Album verteilt sowieso und wirkt doch wie aus einem Guss. Habe das neulich mal wieder aufgelegt und das hat mich richtig aus den Socken gehauen. Songwriting hätte noch nen Tick ausgefeilter sein können, wie in der Rezi erwähnt, aber das stört auch nicht wirklich. So hat man recht klare, einfache Strukturen und lange Passagen und Musik, die sich Zeit lässt. Kleines Meisterwerk.
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